Aspiration Pneumonia Caused by Anesthesia Errors
Kasuistik
Ein 65-jähriger Patient stellte sich mit einer Schulterluxation in einem Krankenhaus vor, wo das Schultergelenk unter Narkose reponiert wurde. Bei der Ausleitung der Narkose erbrach der Patient. Ein Teil des Erbrochenen gelangte in die Atemwege und verursachte eine beidseitige Pneumonie.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Patienten führte die beidseitige Pneumonie auf einen Behandlungsfehler zurück und rügte die mangelnde Aufklärung hinsichtlich dieser möglichen Komplikation.
Der Anästhesist schilderte, dass der Patient zur Narkoseeinleitung ein Schlafmittel und ein Schmerzmedikament erhalten hätte. Zu diesem Zeitpunkt habe der Chirurg das Gelenk bereits reponiert. Der Patient hätte in der Ausleitungsphase der Narkose erbrochen. Daraufhin seien die Atemwege sofort abgesaugt und der Patient auf einer Intensivstation weiterbehandelt worden. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sei die Weiterbehandlung wegen der Aspirationspneumonie unerlässlich gewesen.
Aus dem Gutachten
Die Schlichtungsstelle hatte mit der Fallbegutachtung einen Facharzt für Anästhesiologie beauftragt.
Der Gutachter stellte fest, dass die Anästhesieform, eine Narkose, für die Reposition des Schultergelenkes medizinisch korrekt gewählt worden sei. Darüber hinaus sei eine tracheale Intubation indiziert gewesen.
Er führte weiterhin aus, dass den behandelnden Ärzten die Nicht-Nüchternheit des Patienten bekannt gewesen sei. In dieser Situation wäre eine so genannte Blitzeinleitung (siehe unten) unabdingbar gewesen. Sowohl im Aufklärungsbogen als auch im Anästhesieprotokoll fänden sich Hinweise auf die erhöhten Anästhesierisiken bei nicht-nüchternen Patienten.
Eine Blitzeinleitung soll verhindern, dass bei Nicht-Nüchternen Mageninhalt, der in den Mund- und Rachenraum bei der Einleitung der Narkose geraten kann, in die Atemwege übertritt. Bei der Blitzeinleitung wird auf die sonst übliche Zwischenbeatmung per Gesichtsmaske nach Gabe des Hypnotikums verzichtet, um das Risiko des Erbrechens beziehungsweise der Regurgitation so gering wie möglich zu halten. Diese gebotene Blitzeinleitung sei bei dem Patienten jedoch unterblieben. Auch seien die Atemwege nicht durch eine tracheale Intubation geschützt worden.
Der Gutachter hatte die Kausalität zwischen der Beatmung mit Hilfe einer Gesichtsmaske, der unterlassenen trachealen Intubation, dem Übertritt von Mageninhalt in die Atemwege und der Pneumonie festgestellt. Wegen der Aspirationspneumonie musste der Patient stationär behandelt werden.
Schlussfolgerungen
Schlichtungsstelle und Gutachter haben übereinstimmend als fehlerhaft anerkannt, den Patienten nicht tracheal zu intubieren und ihn trotz seiner Nicht-Nüchternheit über eine Gesichtsmaske zu beatmen. Diese Form der Beatmung hätte bei einem nicht-nüchternen Patienten nur im Notfall durchgeführt werden dürfen – dieser lag jedoch nicht vor.
Fehlerhaft sei ferner die im Rahmen der Anamneseerhebung unterbliebene Frage nach Art der Nahrungsaufnahme des Patienten (fest?, flüssig?, welche Mengen?). Darüber hinaus hätte mit ihm die Möglichkeit der Anlage einer Magensonde – auch vor Einleitung der Narkose – erörtert werden müssen. Auch dies sei fehlerhaft unterblieben. Der Chirurg hätte während der Narkoseeinleitung keinen Repositionsversuch unternehmen dürfen. Abschließend ist festzustellen, dass kein medizinischer Grund gegen die Reposition erst nach Erreichen der Nüchternheit des Patienten sprach.
Die genannten Fehler sind in der Zusammenschau als grober Behandlungsfehler zu bewerten.
Als schuldhaft verursachter Schaden für den Patienten ist festzustellen:
Die durch den Übertritt von Mageninhalt in die Atemwege verursachte Aspirationspneumonie sowie der notwendige Krankenhausaufenthalt einschließlich der Intensivüberwachung und -therapie sind auf die Fehler zurückzuführen.
Die Schlichtungsstelle hielt Schadensersatzansprüche für begründet und empfahl, die Frage einer außergerichtlichen Regulierung zu prüfen.