Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 4/2012
Kasuistik
Ein 30-jähriger Patient unterzog sich am 12. Juni 2007 einer operativen Behandlung seiner linken Hand wegen eines dorsalen Handgelenksganglions. Die Diagnose war drei Monate zuvor durch eine MRT-Untersuchung gesichert worden, wobei „2 kleine Flüssigkeitsretentionen“ mit jeweiliger Kommunikation zum Gelenk, streckseitig in Projektion auf das Mondbein, festgestellt wurden. Dieser Befund wurde als „teilweise okkultes Ganglion“ interpretiert. Bei der operativen Revision am 12. Juni 2007 konnte ein Ganglion bei der Revision bis zur dorsalen Handgelenkskapsel nicht dargestellt werden, so dass die Exploration abgebrochen wurde. Postoperativ entwickelte sich eine Sudeck´sche Dystrophie (CRPS).
Der Patient sieht die postoperativ aufgetretene Sudeck-Dystrophie als Folge einer fehlerhaften Operation. Im übrigen sei er nicht umfassend aufgeklärt worden.
Das externe Gutachten
Die Indikation zur Exploration wegen eines dorsalen Handgelenksganglions sei aufgrund der klinischen und der MRT-Befunde sowie der subjektiven Beschwerden gerechtfertigt gewesen. Die Exploration mit Präparation nur bis zur Handgelenkskapsel sei als nicht ausreichend zu beurteilen.
Um das im MRT beschriebene „okkulte Ganglion“ zu entfernen, wäre eine Eröffnung auch der Handgelenkskapsel erforderlich gewesen, da derartige Ganglien ihren Ursprung vom Gelenk zwischen Kahnbein und Mondbein hätten.
Das CRPS könne nicht auf die fehlerhaft unterlassene Eröffnung der Handgelenkskapsel zurückgeführt werden. Auch bei erfolgter Eröffnung der Handgelenkskapsel wäre mit gleicher Wahrscheinlichkeit mit dieser Komplikation zu rechnen gewesen.
Die Entscheidung der Schlichtungsstelle
Die Exploration mit dem Ziel der Exstirpation eines dorsalen Handgelenksganglions war indiziert.
Zu beanstanden war jedoch das operationstechnische Vorgehen. Unter Berücksichtigung des präoperativen MRT-Befundes wäre eine Eröffnung der dorsalen Handgelenkskapsel zwingend erforderlich gewesen, um das vom Gelenk zwischen Kahnbein und Mondbein ausgehende, kleine Ganglion zu finden und zu exstirpieren. Das Versäumnis der Kapseleröffnung und das dadurch bedingte Belassen des Ganglions war als fehlerhaftes operatives Vorgehen zu werten. Allerdings war ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Auftreten des CRPS nicht beweisbar. Soweit die Schadenersatzansprüche auf einen Behandlungsfehler gestützt wurden, sah die Schlichtungsstelle sie als unbegründet an.
Im vorliegenden Fall war auch die Rüge einer unzureichenden Aufklärung zu prüfen.
Stehen für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung, die gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, so dass eine echte Wahlmöglichkeit besteht, dann muss dem Patienten durch eine entsprechend vollständige Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vergleiche BGH VersR 2000, 766).
Von dem Vorliegen einer solchen Alternative war hier auszugehen. Der Gutachter hatte dargestellt, dass in Anbetracht des kernspintomographisch sehr kleinen Befundes auch konservative Maßnahmen in Betracht hätten gezogen werden können.
Im vorliegenden Fall war aus der Dokumentation des Operateurs nicht ersichtlich, dass der Patient darüber informiert wurde.
Da kein Zweifel daran bestand, dass im Gefolge der nicht durch wirksame Einwilligung gedeckten Operation das CRPS aufgetreten ist, hielt die Schlichtungsstelle wegen des Aufklärungsmangels Schadensersatzansprüche für begründet.