Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Brustvergrößerung – Fehlermöglichkeiten bei einem vermeintlich einfachen Eingriff

Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 11/2008

Die Brustvergrößerung ist eine der häufigsten plastisch-chirurgischen Eingriffe zur Veränderung der Körperkontur. Die Indikationen dafür sind ganz unterschiedlich. Junge Frauen stellen sich mit einer großen Varianz von Brustgrößen vor. Darunter finden sich, neben rein ästhetischen Korrekturwünschen auch solche mit angeborenen Brustfehlbildungen, zum Beispiel der so genannten tubulären Brust (Rüsselbrust, eingeschnürte Brust). Frauen nach Stillphasen klagen über eine „leere Brust“, Frauen nach drastischen Gewichtsreduktionen über eine formlose und stark hängende Brust. Eine Brustvergrößerung ist auch möglich im Rahmen der Rekonstruktion der Brust nach Entfernung eines Tumors.

Die Populärliteratur stellt die Brustvergrößerung aus rein ästhetischen Gründen häufig als einfach und fast ohne Risiken dar. Teilweise wird damit geworben, dass der Eingriff in örtlicher Betäubung ambulant durchgeführt werden könne. Viele Fachdisziplinen vom Gynäkologen über den Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen bis hin zum HNO-Arzt, Dermatologen oder Allgemeinmediziner führen mittlerweile den Eingriff durch. Allerdings ist diese Operation ausschließlich Inhalt der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie.

Das Spektrum an möglichen Komplikationen ist groß. In den meisten Fällen führt das aus Sicht der Patientin unbefriedigende ästhetische Resultat zu Schadenersatzansprüchen.

Fall 1

Bei einer 35 Jahre alten Patientin wurde 2004 durch einen Gynäkologen die Brustvergrößerung durchgeführt, um eine Brustasymmetrie auszugleichen. Dabei war die linke größer als die rechte Seite. Nach dem Eingriff bestand die Asymmetrie allerdings fort.

Die Patientin warf dem Operateur die Verwendung falscher Implantate, die Bildung eines seitenungleichen Implantatlagers (rechts hinter die Brustdrüse vor den Brustmuskel, links hinter den Brustmuskel) sowie infolge der operativen Korrektur aufgetretene Schmerzen und Gefühlsstörungen in der Brust vor.

In seiner Stellungnahme machte der in Anspruch genommene Operateur geltend, dass eine Verwechselung von Implantaten technisch nicht möglich sei, es wären Implantate mit 50 Milliliter Unterschied (links 275, rechts 225 Milliliter) eingebracht worden.

Der von der Schlichtungsstelle beauftragte Gutachter, ebenfalls ein Gynäkologe, kam zu folgendem Ergebnis:
Es bestünde weiterhin eine deutliche Asymmetrie der Brüste, wobei diese so ausgeprägt sei, dass eine Verwechselung der Implantate nahe läge. Im Übrigen sei die Brust trotz eines entsprechenden präoperativen Befundes nicht gestrafft worden, beispielsweise durch einen Schnitt um die Brustwarze oder einen zusätzlichen vertikalen Schnitt Richtung Unterbrustfalte. Da die Patientin eine Straffung abgelehnt hatte, hätte der gesamte Eingriff abgelehnt werden müssen, da die Wünsche der Patientin ohne einen anderen operativen Zugang mit zusätzlichen Narben nicht hätten erfüllt werden können.

Die angewendete Operationstechnik war nicht dazu geeignet, die präoperativ vorgebrachten Beschwerden der Patientin zu beheben, insbesondere wurde die Asymmetrie durch die angewandte Technik nicht beseitigt.

Die Schlichtungsstelle hat sich dem Gutachten angeschlossen.

Richtig wäre gewesen, die Brust entweder gleichzeitig oder zweizeitig zur Vergrößerung mittels Schnittführung um den Warzenvorhof und vertikal zur Unterbrustfalte hinziehend angleichend zu straffen. Da die Patientin dies offenbar nach Aufklärung beim Ersteingriff abgelehnt hat, hätte der Eingriff in der dann durchgeführten Form gar nicht vorgenommen werden sollen.

Eine außergerichtliche Regulierung von Schadenersatzansprüchen wurde empfohlen.

Fall 2

Eine 27-jährige Patientin hatte sich 2001 die Brust mittels Implantaten durch einen Chirurgen vergrößern lassen. Im Gefolge wurde versucht, eine nach der Operation entstandene Asymmetrie der Mamillen-Areola-Komplexe mittels Versetzung zu korrigieren. Mit dem Ergebnis war die Patientin nicht zufrieden. Insbesondere monierte sie Form und Lage des Mamillen-Areola-Komplexes sowie den Einsatz von kochsalzgefüllten Implantaten.

Der in Anspruch genommene Operateur führte aus, dass die verwendeten kochsalzgefüllten Implantate marktüblich gewesen seien. Die angewandten Operationstechniken hätten chirurgischem Standard entsprochen.

Der Gutachter kam zu folgenden Feststellungen:
Die Lage des Implantatlagers sei aufgrund des ungenauen Operationsberichts nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus hätten sich dort handschriftliche Eintragungen gefunden, die nicht dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zum Ersteingriff zugeordnet werden konnten. Der in Anspruch genommene Operateur gebe das Implantatlager zwar hinter dem großen Brustmuskel an, später sei das Implantatlager jedoch hinter der Brustdrüse und damit vor dem Muskel identifiziert worden.

Die Korrektureingriffe an den Mamillen-Areola-Komplexen wären nicht indiziert gewesen, zudem hätten diese das nach der Erstoperation schon unbefriedigende Ergebnis weiter verschlechtert. Richtigerweise hätten die Implantate ausgetauscht und eine gleichseitige Implantattasche operiert werden müssen. Die Verwendung kochsalzgefüllter Implantate sei 2001, dem Zeitpunkt der Erstoperation, lege artis erfolgt. Nicht immer seien Kapselfibrosen und die Ausbildung eines so genannten Ripplings (Faltenwurfs) der Implantate vermeidbar. Diese Komplikation trete vor allem bei kochsalzgefüllten Implantaten häufiger auf.

Die Schlichtungsstelle schloss sich der gutachterlichen Einschätzung an, insbesondere, weil der zur Verfügung gestellte Operationsbericht vom Ersteingriff offensichtlich nachträglich verändert wurde. Die genannten Fehler, falsche Operationstechnik bei falscher Indikation, begründeten einen Schadensersatzanspruch.

Eine außergerichtliche Regulierung von Schadenersatzansprüchen wurde empfohlen.

Fall 3

Eine 23-jährige Patientin hatte sich 2005 in einem Belegkrankenhaus einer Brustvergrößerung durch einen Plastischen Chirurgen unterzogen. Es wurden bei der recht zierlichen Patientin 300 Milliliter messende Implantate hinter die Brustdrüse vor den Brustmuskel gesetzt. Im Gefolge kam es zu einem Rippling durch die Implantate. In einem Korrektureingriff neun Monate später wurden daraufhin größere Implantate unter der Vorstellung eingesetzt, damit das Rippling zu korrigieren. Das gelang offenbar nicht. Der Faltenwurf bestand weiterhin, teilweise sogar verstärkt.

Dies monierte die Antragstellerin, die sich zwischenzeitlich von einem anderen Plastischen Chirurgen behandeln ließ. Dort wurden etwas kleinere Implantate hinter den Brustmuskel eingesetzt.

In einer Stellungnahme führte der Operateur aus, dass Planung und Durchführung des Ersteingriffes den vorgelegenen Gewebeeigenschaften entsprechend korrekt gewesen seien. Die Korrektur sei unter anderem erfolgt, weil die Patientin größere Implantate wünschte.

Der Gutachter, auch ein Plastischer Chirurg, sah keine Kontraindikation zur operativen Brustvergrößerung bei der Antragstellerin. Nach wie vor gebe es weder für die Wahl eines bestimmten Operationsverfahrens zur Brustvergrößerung, noch hinsichtlich der exakt zu definierenden Größe eines Implantates einheitliche Empfehlungen beziehungsweise verbindliche Standards. Das nach dem Ersteingriff aufgetretene Rippling sei eine Komplikation, die auch bei fehlerfreiem ärztlichem Vorgehen vorkommen könne.

Die Korrektur dieses Rippling durch Austausch der Implantate gegen größere Implantate entspreche dem Standard.

Nach Prüfung der Behandlungsunterlagen konnte sich die Schlichtungsstelle dieser Bewertung nicht anschließen. Auch wenn der Primäreingriff korrekt durchgeführt wurde, ist die Korrekturoperation wegen des Ripplings zu beanstanden Das Rippling tritt bevorzugt bei sehr schlanken Frauen mit großen, texturierten Implantaten und einem Implantatlager vor dem Brustmuskel auf. Zur Korrektur sollten kleinere Implantate, die Verschiebung von gesundem Gewebe an die Stelle des Ripplings unter sehr dünnem Gewebe sowie die Verlagerung des Implantats möglichst unter den Muskel zur Anwendung kommen. Ein derartiges Vorgehen war der medizinischen Dokumentation nicht zu entnehmen. Unabhängig vom Wunsch der Patientin war das Einsetzen größerer Implantate nicht indiziert. Im Ergebnis konnte der Befund nicht verbessert werden, da eine falsche Technik (größere Implantate statt mindestens gleichgroßer, eher kleinerer Implantate und Wechsel des Implantatlagers von hinter der Drüse nach unter den Muskel, wenn möglich) angewandt wurde. Das wird als vermeidbar fehlerhaft bewertet.

Die außergerichtliche Regulierung von Schadensersatzansprüchen wurde empfohlen.

Die Beschreibung dieser drei Fälle soll zeigen, welche Fülle an Komplikationen bei einer Brustvergrößerung auftreten können. Die Vielzahl der Fachdisziplinen, die Brustvergrößerungen mittlerweile durchführen, lässt für sich allein betrachtet keinerlei Rückschluss auf die Behandlungsqualität zu. Für diese Eingriffe liegen insbesondere für die plastisch-chirurgischen Indikationen noch keinerlei verbindlichen Standards vor. Es gibt eine ganze Reihe von Empfehlungen, dennoch sind die Erfahrungen des Operateurs sowie das intensive Gespräch mit der Patientin entscheidend, um nach Erhebung eines Befundes (exakte Anamnese, insbesondere auch die mögliche gynäkologische Voruntersuchung der Brust, gründliche Untersuchung und Vermessung der Brust, fotographische Dokumentation) einen den Wünschen der Patientin angemessenen Behandlungs- und Operationsplan zu erstellen. Über die Vielzahl möglicher Komplikationen ist intensiv aufzuklären, das Spektrum der Korrekturmöglichkeiten sollte beherrscht werden.

Autoren:

Dr. med. Sixtus Allert

Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie
Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover