Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Defektläsion des Choledochus – Hepaticus sinister

Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 2/2015

Kasuistik

Der Patient hatte eine symptomatische Cholezystolithiasis und es war die Entfernung der kranken Gallenblase geplant. Nach prästationärer Untersuchung, bei welcher auch die Operationsaufklärung erfolgte, wurde er am 28. November 2011 im Krankenhaus stationär aufgenommen und am gleichen Tag in laparoskopischer Vorgehensweise operiert. Besonderheiten für den Eingriff sind im Operationsprotokoll nicht erwähnt.

Nach anfänglich unauffälligem Verlauf trat bei dem Patienten ein Skleralikterus auf. Die danach am 30. November 2011 durchgeführten Laboratoriumsuntersuchungen ergaben eine massive Erhöhung der Leberfermentreaktionen und des Bilirubins. Daraufhin wurde eine ERC durchgeführt, die den Abbruch des Choledochus am Übergang zum proximalen Drittel ergab. Die am gleichen Tag durchgeführte operative Revision zeigte einen Defekt des Ductus choledochus als Ursache des Stopps mit einer Distanz von vier Zentimetern zwischen den beiden Choledochusstümpfen.

Dem den Revisionseingriff ausführenden Chefarzt schien die Möglichkeit der Anlage einer biliodigestiven Anastomose in seinem Haus nicht sicher genug, weswegen der Patient per Hubschrauber in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde.

Dort wurde am 1. Dezember 2011 die nochmalige operative Revision mit Anlage einer biliodigestiven Anastomose mit ausgeschalteter Jejunumschlinge nach Roux ausgeführt. Dabei konnte bei der intraoperativen Röntgendarstellung nur das rechtsseitige Gallengangsystem der Leber dargestellt werden. Der Ductus hepaticus sinister war nicht aufzufinden. Im weiteren Verlauf wurde eine zunehmende Gallensekretion aus dem Zieldrain beobachtet. Deswegen erfolgte am 14. Dezember 2011 eine neuerliche operative Revision des Situs. Als Ursache des Galleflusses war eine Läsion an der Hinterwand der Choledochojejunostomie gesehen worden, weswegen diese aufgelöst und erneut angelegt wurde. Es kam dennoch im Verlauf des nächsten Tags zu einer Persistenz der Gallesekretion, so dass am 15. Dezember 2011 wiederum revidiert wurde.

Dabei konnte keine Gallesekretion aus der Choledochojejunostomie ausgemacht werden. Als Quelle des Galleflusses wurde schließlich eine tubuläre Struktur gefunden, die sich als der bis dato nicht dargestellte Ductus hepaticus sinister herausstellte. Dieser wurde im Sinne einer zweiten biliodigestiven Anastomose mit einer weiteren hochgezogenen Jejunalschlinge anastomosiert. Eine weitere Galleextravasation erfolgte danach nicht. Nach der viermaligen Operation im gleichen Gebiet wurde die subkutane Wunde mit dem Vacuseal-System versorgt, welches – wie üblich – mehrfach gewechselt wurde.

Es kam noch zu weiteren Komplikationen. So musste die Arteria hepatica gestentet und ein Aneurysma derselben durch Coiling beseitigt werden. Außerdem fand sich ein biliogener Leberabszess im Segment 7/8, der perkutan punktiert und drainiert werden konnte. Nach Sekundärnaht, wobei die Faszienränder nicht vollständig adaptiert werden konnten, wurde der Patient am 18. Dezember 2012 nach Hause entlassen.

Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen

Nach einem Gespräch zwischen Familienangehörigen des Patienten und dem Chefarzt eines anderen Krankenhauses etwa eine Woche nach Entlassung des Patienten aus dem in Anspruch genommenen Krankenhaus, wurde gemeinsam der Entschluss zur Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gefasst.

Gutachten

Der beauftragte Gutachter ist der Auffassung, dass die Operation indiziert gewesen sei, da eine symptomatische Cholezystolithiasis vorgelegen hätte. Dies sei leitlinienkonform gewesen. Bezüglich der Operation stellt er fest, dass die Klärung der anatomischen Situation bei dem Patienten unzureichend gewesen sei, weswegen eine Defektläsion des Choledochus (Typ Siewert IVB) verursacht worden sei. Hier sei aus der Operationsdokumentation ersichtlich, dass keine ausreichende Klarheit über die Strukturen bestanden hätte. Man hätte hier aufgrund der besonderen Umstände eine Cholangiographie durchführen können. Ihre regelmäßige Durchführung sei allerdings kein Standard. Die notwendige Revisionsoperation sei nach Ansicht des Gutachters zeitgerecht durchgeführt worden. Die Verlegung in das in Anspruch genommene Krankenhaus mit erweiterten Behandlungsmöglichkeiten wird vom Gutachter als verantwortungsvoll angesehen.

Entscheidung der Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle hat sich dem Gutachten im Hinblick darauf angeschlossen, dass die Cholezystektomie indiziert war. Jedoch erfolgte kein fachgerechter Eingriff, denn die anatomischen Strukturen wurden nicht ausreichend dargestellt, so dass es zur Resektion des Choledochus mit einer Defektlänge von etwa vier Zentimetern kam und der Abtrennung des linken Ductus hepaticus.

Gesundheitsschaden

Bei korrektem Vorgehen wäre es nach ärztlicher Erfahrung bei einer fachgerecht ausgeführten Operation nicht zu einer Teilresektion des Ductus choledochus gekommen. Der Patient wäre nach circa vier bis fünf Tagen entlassen worden. Die Rekonvaleszenz hätte sich mit circa zehn bis 14 Tagen dargestellt.

Durch das fehlerhafte Vorgehen ist es zur partiellen Resektion des Choledochus und zur Durchtrennung des Ductus heptaticus sinister mit der Folge zahlreicher Revisionsoperationen gekommen. Die stationäre Behandlung dauerte circa acht Wochen anstelle der geschätzten vier bis fünf Tage und der Patient hatte eine lange Rekonvaleszenz durchzustehen. Ob bezüglich der beiden biliodigestiven Anastomosen in Zukunft Komplikationen entstehen würden, konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht abschließend beurteilt werden. Diese wären aber in jedem Fall auf den Fehler bei der Operation am 28. November 2011 zurückzuführen.

Fazit

Die Darstellung des problematischen Bereichs – und deren Dokumentation – schützt vor Behandlungsfehlern!

Autoren:

UB

Prof. Dr. med. Uwe Baer

Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie
Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee
30173 Hannover

Kerstin Kols, Ass. jur.