Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Der Klassiker in der Kniegelenkschirurgie: Aufklärung und Operation bei degenerativen Innenmeniskusschäden

Kasuistik

Die Patientin litt unter einem degenerativen Innenmeniskusschaden. Nach erfolgloser konservativer Therapie wurde arthroskopisch der Innenmeniskus teilreseziert. Aufgrund fortbestehender Beschwerden im Kniegelenk wurde vier Monate nach der Operation eine Magnetresonanztomografie vorgenommen und dabei der Verdacht auf einen Riss im Innenmeniskus geäußert. In einer erneuten Arthroskopie wurde der risstragende Teil des Innenmeniskus reseziert. Im weiteren Verlauf sind keine Risse dokumentiert.

Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen

Die Patientin geht aufgrund ihrer postoperativen Beschwerden und des Ergebnisses der Revisionsoperation von einer fehlerhaften Erstoperation aus.

Stellungnahme Krankenhaus

Die Erfolglosigkeit der konservativen Therapie habe den Verdacht auf eine Meniskusläsion nahegelegt. Deshalb sei eine Arthroskopie durchgeführt worden.

Aus dem Operationsbericht und der intraoperativen Fotodokumentation gehe hervor, dass Meniskusteile entfernt und der Meniskusrand geglättet worden seien. Die Fotodokumentation zeige eindeutig den Meniskusriss vor und nach seiner Teilresektion. Der Erstoperateur behauptet, dass die Patientin präoperativ über die Möglichkeit eines erneuten Meniskusschadens informiert worden sei.

Gutachten

Der von uns beauftragte Gutachter, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat folgende Kernaussagen getroffen:

Gegen geltende Standards sei nicht verstoßen worden. Aufgrund des Leidensdrucks der Patientin habe eine Operationsindikation für die zu überprüfende erste Operation bestanden.  

Intraoperativ habe sich bei der Inspektion mit dem Tasthaken ein zu behandelnder Riss im Innenmeniskus gezeigt. Nach der Fotodokumentation sei bewiesen, dass nicht zu wenig und nicht zu viel Meniskusmaterial entfernt worden sei.

Der spätere Befund eines Risses im Innenmeniskus spreche nicht für ein fehlerhaftes Handeln, da nach einer arthroskopischen Behandlung eines degenerativen Meniskusschadens die Degenerationen weiter zunehmen und ein erneuter Riss auftreten könne.

Die Schlichtungsstelle schloss sich dem Gutachten an.

Fazit

Vom Operateur kann nur der sichtbare Schaden beurteilt werden, intrameniskale Verletzungen bleiben dem Auge verborgen. Es gilt der Grundsatz, dass nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich reseziert werden soll. Dieser Grundsatz ist vorliegend eingehalten worden.

Dieser aus medizinischer Sicht klare Fall wird aus folgenden Gründen von uns veröffentlicht: Es kommt immer wieder vor, dass Patienten einen Antrag stellen, weil ein paar Monate nach der Meniskusteilresektion erneut Risse im Meniskus operativ versorgt werden müssen.

Im vorliegenden Fall wurde ein standardisierter Aufklärungsbogen verwendet. Wenn man nunmehr prüft, ob das Aufklärungsgespräch auf Grundlage dieses Formulars und der vorgenommenen handschriftlichen Eintragungen ordnungsgemäß durchgeführt wurde, so ist hier festzustellen, dass die Patientin nicht darüber aufgeklärt wurde, dass nicht der gesamte Meniskus entfernt worden war. Es wurde lediglich Meniskusresektion angekreuzt. Außerdem wurden die Erfolgsaussichten abstrakt und nicht erkennbar auf die Situation dieser Patienten abgestimmt dargestellt.

Es wird daher empfohlen, Patientinnen und Patienten im Aufklärungsgespräch deutlich zu machen, dass und warum man nur so viel Gewebe wie nötig entfernt werde und dass es zu weiteren Rissbildungen kommen könne – mit der möglichen Folge weiterer Eingriffe. Dies sollte in den Standardaufklärungsbögen handschriftlich hinzugefügt werden. Auch sollte nach Operationen, bei denen es zu Vorwürfen durch Patientinnen und Patienten komme, im Gespräch versucht werden, die Zusammenhänge und Hintergründe zu erklären.

Autoren:

Dr. med. Peter Hoyer

Facharzt für Unfallchirurgie/Orthopädie
Ärztliches Mitglied
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover

Christine Wohlers, Rechtsanwältin

Juristin in der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover

Schaffartzik

Prof. Dr. med. Walter Schaffartzik

Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie
Vorsitzender der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover