Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 2/2014
Kasuistik
Bei dem 50-jährigen Patienten, der aufgrund einer Sprunggelenkfraktur nicht gehfähig war, hatte sich eine starke Erkältung eingestellt. Die Ehefrau des Patienten suchte die Praxis des Hausarztes auf, um ein entsprechendes Medikament zu besorgen. Nach Schilderung der Beschwerden sollte ein Antibiotikum, das Medikament „Doxy M Ratioph 100 mg“ verschrieben werden. Es kam jedoch zu einer Verordnung des Schlaf- und Beruhigungsmittels „Doxepin Ratiopharm 100 mg Fta“. Der Patient nahm zwei Tabletten dieses Medikamentes zu sich und musste mit dem Notarzt ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo er am Monitor überwacht wurde und nach zunehmender Aufklarung die Klinik wieder verlassen konnte. Als Diagnose wurde eine Medikamentenvergiftung angegeben.
Der Patient moniert, dass die Medikamente in der Praxis verwechselt wurden und er deshalb erhebliche Beschwerden sowie den vorübergehenden Krankenhausaufenthalt erlitten habe.
Der Arzt legt dar, dass geplant war, das Antibiotikum Doxy 100 zu verordnen es sei jedoch dann zum Fehler gekommen und Doxepin 100 „aufgeschrieben“ worden. Zu einem späteren Zeitpunkt sei dann eine sachgerechte Verordnung von Doxycyclin zur Infektabwehr erfolgt.
Entscheidung der Schlichtungsstelle
Nachdem der Arzt aus den Schilderungen der Ehefrau eine Bronchitis abgeleitet hatte, war die Absicht, ein Antibiotikum (Doxycyclin) zu verordnen, nicht zu beanstanden. Ausgestellt wurde jedoch ein Rezept für das Medikament Doxepin Ratioph 100 mg Fta. Ein solches Versehen mag zwar bei hohem Patientenaufkommen und Zeitdruck menschlich verständlich und im Rahmen von Arbeitsteilung nicht hundertprozentig vermeidbar sein, mindert aber in keiner Weise die Verantwortlichkeit des Praxisinhabers für das fehlerhafte Rezept und stellt letztlich juristisch betrachtet einen Behandlungsfehler dar.
Als der Patient in Unkenntnis der vorliegenden Medikamentenverwechslung zwei Tabletten von Doxepin 100 eingenommen hatte, traten erhebliche Beschwerden in Form von massiver Müdigkeit, Bewegungsstörungen und weitgehender Handlungsunfähigkeit auf. Des Weiteren musste der Patient nach notärztlicher Einweisung einige Stunden im Krankenhaus verbringen.
Fazit
Auch bei noch so bewährter Teamarbeit bieten Schnittstellen in der Praxis ein latentes Risikopotenzial. Dazu gehört auch die Unterzeichnung von zahlreichen Schriftstücken pro Tag, die vom Arzt zunächst initiiert und von anderen Personen dann fertiggestellt werden. Die Unterschrift unter ein Rezept sollte daher niemals in Situationen erfolgen, in denen die Aufmerksamkeit des Unterzeichners nicht ungeteilt auf das zu unterschreibende Rezept gerichtet ist, zum Beispiel wenn der Arzt telefoniert oder sich in Behandlungssituation mit einem anderen Patienten befindet.