Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Faltenunterspritzungen: Vermeintlich kleine Ein-griffe mit großem Komplikationspotential

Kasuistik

Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens war die Behandlung durch einen Facharzt für Chirurgie zu prüfen. Eine 62-jährige Patientin hat sich über viele Jahre im Gesicht behandeln lassen. Es wurden vielfach nichtresorbierbare und resorbierbare Filler zur Behandlung von Gesichtsfalten eingespritzt. Unter anderem wurde mit einem Hyaluronsäurefiller (CRM) behandelt. Viele Monate später wurde ein Facelift durchgeführt. Nach einer weiteren Behandlung mit dem Hyaluronsäure-Filler CRM kam es zu Reaktionen im Sinne von Schwellungen, Schmerzen und Knötchenbildungen. Es erfolgten medikamentöse und operative Behandlungen, die sich über Jahre hinzogen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung (zwei Jahre später) war noch keine Heilung eingetreten.

Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen

Die Patientin klagte nach der Behandlung mit CRM Mitte Oktober 2012 über Schmerzen, Schwellungen und Knötchenbildung sowie über Wasseransammlungen im Gesicht. Es sei zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität gekommen. Es sei weder mündlich noch schriftlich auf Nebenwirkungen hingewiesen worden. Bei vorheriger Aufklärung über die Gefahr von Knötchenbildungen hätte die Patientin einer solchen Behandlung nicht zugestimmt.

Stellungnahme Arzt

Es wird ausgeführt, dass es auch schon vor den nun geklagten Beschwerden zu Reaktionen der Haut wie Arzneimittelexanthemen und Ekzemen gekommen sei.

Gutachten

Der beauftragte Gutachter, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, führt aus, dass die Auswahl des Präparats und dessen Injektionstiefen nicht zu kritisieren seien. Dessen ungeachtet sei zwar die Verwendung des dokumentieren Hyaluronsäure-Fillers an sich nicht zu kritisieren, allerdings habe der Hersteller Ende Oktober 2012 über Komplikationen nach Verwendung dieser Produkte berichtet. Die hier beklagte Behandlung fand Mitte Oktober 2012 statt. Vorher wurde auch schon CRM verwendet. Der Warnhinweis erschien erstmals nach der hier beklagten Behandlung.

Die konservative und operative Nachbehandlung sei allerdings insofern zu kritisieren, als dass nicht zeitnah versucht worden sei, die Hyaluronsäure durch Verwendung von Hyaluronidase aufzulösen. Zudem sei es in solchen Fällen auch sinnvoll, lokale Kortisoninjektionen zu verwenden. Der zeitliche Abstand zur gezeigten Reaktion wird als zu lang kritisiert.

Die chirurgische Intervention hingegen könne nicht kritisiert werden. Die geklagten Beschwerden sprächen nicht für ein fehlerhaftes Handeln. Der zeitliche Abstand zwischen Injektion und einem offenbar vorher stattgehabten Gesichtseingriff sei zu kritisieren. Die geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten bei richtiger Anwendung des Stufenschemas verkürzt werden können. Die Knötchenbildung ist zwar auf die Behandlung zurückzuführen, die Bildung der Knötchen sind aber nicht behandlungsfehlerhaft verursacht worden. Es handele sich um mögliche Reaktionen, die auch bei sorgfältigstem Vorgehen nicht immer zu vermeiden seien. Alle Filler seien in der Lage, Fremdkörpergranulome zu erzeugen.

Stellungnahmen zum Gutachten

Der in Anspruch genommene Arzt teilt mit, dass die Verwendung von Hyaluronidase oder Kortison nicht ungefährlich sei. Zudem wird der Gesichtseingriff als sogenanntes Smart-Lift, ein sehr umschriebenes Vorgehen der Unterkiefer-Hals-Region beschrieben. Die Injektionsstellen seien alle außerhalb des Operationsgebiets zu finden gewesen.

Patientenseits wurde nochmals die mangelhafte Aufklärung gerügt.

Entscheidung der Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle schloss sich nach eigener Urteilsbildung dem Gutachten im Ergebnis an. Die Patientin wurde mit zahlreichen Fillern über viele Jahre behandelt. Dabei wurden nicht abbaubare und abbaubare Filler verwendet. Dies als solches ist nicht zu kritisieren. Zudem wurde der nun in Rede stehende Filler auch schon vor der Behandlung 2012 verwendet.

Zwar ist die Nichtverwendung von Hyaluronidase und intraläsional verabreichtem Kortison zu beanstanden. Dennoch muss angemerkt werden, dass deren Verwendung nicht mit zu Gebote stehender Sicherheit den Behandlungsverlauf verkürzt hätten.

Die geltend gemachten Ansprüche sind aber aus dem Gesichtspunkt der mangelhaften Aufklärung begründet. Bei ästhetisch begründeten Eingriffen müssen dem Patienten etwaige Risiken deutlich vor Augen geführt werden, damit er abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg und gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, auch wenn diese nur entfernt als Eingriffsfolge in Betracht kommt. Der Arzt, der einen ästhetisch-plastischen Eingriff durchführt, hat dem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen vor Augen zu führen. Vor diesem Hintergrund ist ein strenger Maßstab an die Aufklärung des Patienten im Rahmen einer solchen vom Patienten gewünschten Behandlung zu stellen. Der Arzt hat mit schonungsloser Offenheit zu demonstrieren, mit welcher Veränderungen des Körpers möglicherweise zu rechnen ist.

Für den hier vorliegenden Fall ist in den Krankenunterlagen für die Unterspritzung nach dem Facelift keine dokumentierte Aufklärung enthalten. Es findet sich lediglich ein Aufklärungsbogen über eine gleiche Behandlung, die vor zwei Jahren durchgeführt wurde. Wollte man diesen Aufklärungsbogen für die spätere Behandlung zugrunde legen, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Aufklärungsbogen eine entsprechende schonungslose Aufklärung nicht zu entnehmen ist; die Eintragungen wirken auf den Leser vielmehr verharmlosend. Nach Auffassung der Schlichtungsstelle ist von einem Aufklärungsmangel auszugehen.

Vor dem Hintergrund der nach Aktenlage fehlenden Einwilligung kommt es auf die Frage etwaiger Behandlungsfehler nicht mehr an.

Fazit

Viele Facharztgruppen – auch Zahnärzte, Heilpraktiker und Kosmetikerinnen – unterspritzen heute, ohne sich über mögliche Folgen im Klaren zu sein oder gar in der Lage zu sein, diese Folgen auch zu behandeln. Daneben werden Patienten oftmals nicht korrekt informiert, was auch bei richtiger Anwendung durchaus Folgen haben kann. Injektionsbehandlungen gehören in ärztliche Hände und sollten nur von solchen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, die die Anwendung als solche und die Behandlung von Komplikationen einer solchen Anwendung sicher beherrschen.

Autoren:

Kerstin Kols, Ass. jur.

Dr. med. Sixtus Allert

Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie
Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover