Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Fehlerbedingtes TUR-Syndrom während einer hysterokopischen Myomresektion

Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 08/2011

Das TUR-Syndrom (transurethrales Resektionssyndrom) ist eine gefürchtete Komplikation während endoskopischer Eingriffe in der Harnblase, insbesondere bei Prostatektomien. Dabei kommt es
über das Wundbett zur Einschwemmung von SpülloÅNsung in den Blutkreislauf mit der Folge einer hypotonen Hyperhydratation, die zum raschen Abfall des Natriumspiegels im Serum führt. Es resultieren kardiovaskuläre, pulmonale und neurologische Funktionsstörungen unterschiedlicher Ausprägung.

Analog und unter dem gleichen Terminus firmierend kann dieses Ereignis auch bei der hysteroskopischen Entfernung von Myomen aus der Uterushöhle eintreten, wie der folgende Fall eindrucksvoll demonstriert.

Kasuistik

Eine 47-jährige Patientin wurde zur Klärung von Blutungsstörungen bei bekann tem Uterus myomatosus am 10. Juli 2008 stationär aufgenommen. Die präoperative Sonografie signalisierte zwei Myomknoten im Isthmus mit Einengung des Gebärmutterhalses und einen weiteren, submukös gelegenen, im Fundusbereich.

Am nächsten Tag erfolgten Hysteroskopie und Abrasio. Nach Einführen des Hysteroskops fand sich im rechten Tubenwinkel, am Übergang zur Vorderwand des Uterus, ein „breitbasig aufsitzendes submuköses Myom“. Die bildgebend vermuteten endozervikalen Knoten ließen sich dagegen nicht nachweisen.

Es wurde zunächst eine Abrasio „in typischer Weise“ durchgeführt. Danach entschloss sich der Operateur zur Resektion des submukösen Myoms. Deshalb wurde das Distensionsmedium von Ringerlösung auf Sorbitol/Mannitol (Purisol) umgestellt. Im Operationsbericht heißt es: „Die Entfernung des Myoms im rechten Tubenwinkel gestaltete sich relativ schwierig, das Myom konnte auf der Ebene des Myometriums entfernt werden… keine wesentliche Blutung“.

Am Ende des Eingriffs entwickelte sich unter Kreislaufdepression und Dyspnoe ein schweres TUR-Syndrom durch Einschwemmung von Spülflüssigkeit in die Lymph- und Blutbahnen. Laut Narkoseprotokoll waren insgesamt zwölf Liter Spülmittel bei der Operation verwendet worden.

Innerhalb kurzer Zeit kam es zu Ödemen an Kopf, Hals und oberen Extremitäten sowie zu einem massiven Lungenödem mit ausgeprägter Ventilationsstörung, so dass eine Notfalltracheotomie erforderlich war. Der Serumwert des Natriums zeigte sich durch die extreme Blutverdünnung (hypotone Hyperhydratation) deutlich vermindert (14.59 Uhr: 95,8 mmol/l; 16.18 Uhr: 99 mmol/l; Normalwert 135 bis 145 mmol/l).

In den folgenden 48 Stunden wurde die Patientin intensivmedizinisch behandelt. Zeitweise bot sie das typische Bild eines Durchgangssyndroms mit Desorientierung. Im Verlauf der nächsten acht Tage stabilisierte sich der Zustand langsam, doch stetig. Auch die Laborwerte normalisierten sich. Am 17. Juli 2008 wurde das Tracheostoma dekanüliert.

Nach Rückverlegung auf die gynäkologische Abteilung konnte die Antragsstellerin am 21. Juli 2008 aus der stationären Behandlung entlassen werden. Kurze Zeit später stellte sie sich bei ihrem
Hausarzt vor, der eine Sekundärheilung der Tracheostomiewunde mit „erheblich unästhetischem Aussehen“ attestierte.

Die Patientin moniert, dass sich durch die während des Eingriffes zur Spülung verwendete Zuckerlösung eine lebensgefährliche Komplikation entwickelt habe. Weil die Atmung nicht mehr möglich gewesen sei, wäre ein Luftröhrenschnitt angelegt worden, der eine entstellende Narbe am Hals hinterlassen habe.

Gutachten

Der von der Schlichtungsstelle beauftragte Gutachter hat folgende Kernaussagen getroffen:

Die Hysteroskopie mit Abrasio zur Klärung der Blutungen wäre prinzipiell indiziert gewesen. Folgt man dem Operationsbericht, habe das einzige intracavitäre Myom nicht den Gebärmutterhals eingeengt, sondern wäre im oberen Bereich des Cavum uteri lokalisiert gewesen. Somit habe keine zwingende Indikation bestanden, in dieser Sitzung das Myom zu entfernen.

Der Eingriff sei nicht fachgerecht durchgeführt worden. Das Auftreten des massiven TUR-Syndroms spräche eindeutig für einen ärztlichen Fehler. Dem Operationsbericht wäre nicht zu entnehmen, welche Mengen an Spülflüssigkeit zu- und wieder abgeführt worden seien. Dabei wäre es Aufgabe des Operateurs die Flüssigkeitsmenge zu bilanzieren und darauf zu achten, dass kein zu großes Defizit entsteht. Lediglich aus einem im Narkoseprotokoll fixierten handschriftlichen Eintrag gehe hervor, dass etwa zwölf Liter Purisol als Spülflüssigkeit bei der Operation verwendet worden seien. In Kenntnis der postoperativ abgefallenen Serumwerte des Natriums lasse sich grob kalkulieren, dass etwa vier bis fünf Liter Purisol in das Herz-Kreislaufsystem der Antragsstellerin gelangt wären. Geht man von einer tatsächlichen Zeit
von etwa 45 Minuten für die operative Hysteroskopie aus, wäre eine derartige Menge resorbierter Flüssigkeit nicht zu erwarten gewesen. Die durch den Abfall des Natriumwerts eindeutig belegte, enorme Flüssigkeitsabsorption lasse sich vielmehr dadurch erklären, dass der Distensionsdruck an der Rollenpumpe für das Spülungssystem wahrscheinlich unverhältnismäßig hoch eingestellt worden sei. Dazu fänden sich jedoch in den Unterlagen keine Angaben. Allerdings wäre der gewählte Druckwert auch nicht dokumentationspflichtig.

Auf das TUR-Syndrom wäre seitens der begleitenden Anästhesisten zeit- und sachgerecht reagiert worden. Da wegen der massiven Anschwellung der oberen Körperhälfte der Patientin eine Intubation nicht möglich war, sei die Entscheidung zur Tracheotomie die absolut korrekte und damit lebensrettende Intervention gewesen. Auch die weiteren intensivmedizinischen Maßnahmen wären nicht zu beanstanden.

Entscheidung der Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle sah sich in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Erwägungen.

Indikation und Durchführung von diagnostischer Hysteroskopie und Abrasio waren aufgrund der klärungsbedürftigen Blutungsanomalien bei der Patientin nicht zu beanstanden.

Nicht indiziert war jedoch die Resektion des solitären submukösen Myoms im Fundus uteri, da dieser Knoten zu keiner Verlegung des Gebärmutterhalskanals geführt hatte. Darüber hinaus war der Eingriff nicht standardgemäß, also vermeidbar fehlerhaft realisiert worden. In der Folge dieses Fehlers hat sich , wie der Gutachter nachvollziehbar begründet, mit dem TURSyndrom eine lebensbedrohlichen Komplikation entwickelt.

Durch das fehlerhafte Vorgehen ist es zu folgenden zusätzlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen gekommen:

– die nicht indizierte Myomresektion
– das massive TUR-Syndrom
– die Tracheotomie
– der um etwa zehn Tage verlängerte Krankenhausaufenthalt

Die Schlichtungsstelle hielt Schadenersatzansprüche im oben genannten Rahmen für begründet und empfahl eine außergerichtliche Regulierung.

Autoren:

HDM

Prof. Dr. med. H. D. Methfessel

Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover