Inappropriate Thyroid Resection by Disregarding Pre-operative Scintigraphy Findings
Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 07/2000
Kasuistik
Eine im Behandlungszeitraum etwas über 50jährige Patientin wurde seit 2 Jahren thyreostatisch mit Carbimazol behandelt. Eine unter Carbimazol durchgeführte Kontroll-TC-Szintigraphie ergab folgenden Befund: „Soweit unter Carbimazol-Therapie beurteilbar, kein eigentlicher warmer Knoten, insbesondere nicht im Bereich des rechts kaudal gelegenen kleinen echoarmen Knotens. Eine diffuse Autonomie läßt sich nicht ausschließen“. Sonographisch wurde ein 0,7 x 0,7 x 1,0 cm großer Knoten im unteren Pol des rechten Schilddrüsenlappens beschrieben. Seitens des behandelnden Internisten wurde der Befund wie folgt beurteilt: „Latente (thyreostatisch behandelte) Hyperthyreose bei diffuser Autonomie und Knotenstruma“.
Unter dieser Diagnose wurde die Patientin dem Chirurgen vorgestellt, da sie von der Medikamentenabhängigkeit loskommen wollte. In einem Gespräch mit dem Chirurgen wurde die Alternativtherapie Operation oder Radio-Jod-Behandlung erörtert. Die Patientin entschloß sich zur Operation. Eine präoperative Kontrolle des Szintigraphiebefundes nach Absetzen des Carbimazols war seitens des Chirurgen in Aussicht genommen worden, wurde aber nicht ausgeführt.
Die Operation wurde unter der Diagnose einer unifokalen Autonomie im rechten Unterlappen vorgenommen. Es erfolgte die Resektion des unteren Poles des rechten Schilddrüsenlappens in Verbindung mit einer Isthmusresektion. Histologisch erwies sich der 0,8 cm große Knoten als follikuläres Adenom, das angrenzende Schilddrüsengewebe wurde als knotig hyperplastisch beschrieben.
Postoperativ entwickelte die Patientin nach Absetzen der Carbimazol-Therapie in wenigen Wochen klinisch das Vollbild einer Immunhyperthyreose mit entsprechendem Anstieg der Schilddrüsenautoantikörper. Nach vorübergehender erneuter Carbimazol-Therapie wurde in zwei Sitzungen eine Radio-Jod-Therapie 3 Monate und 10 Monate nach der Operation ausgeführt. Im weiteren Verlauf wurde die Patientin seitens der Hyperthyreose beschwerdefrei.
Die Patientin vermutete, daß die Schilddrüsenoperation nicht befundgerecht mit der Folge ausgeführt wurde, daß die Schilddrüsenüberfunktion nicht nachhaltig beeinflußt und dadurch eine zweimalige Radio-Jod-Therapie notwendig wurde. Diese Radio-Jod-Therapie wäre bei korrekter Operation nicht erforderlich gewesen.
Die Schlichtungsstelle ließ den Behandlungsvorgang radiologisch und chirurgisch begutachten. Im radiologischen Gutachten heißt es: „Das unter nicht optimalen Bedingungen durchgeführte Schilddrüsenszintigramm stellt die Diagnose einer diffusen Autonomie, möglicherweise aber auch einer Thyreoditis. Die Diagnose einer uniregionalen Schilddrüsenautonomie wurde nicht gestellt“. Im chirurgischen Gutachten wird festgestellt: „Nach dem 6 Monate vor der Operation angefertigten Szintigramm mußte bereits von einer beidseitigen multifokalen oder diffusen Autonomie ausgegangen werden. Der Szintigraphiebefund belegte andererseits nicht die Diagnose eines autonomen solitären Adenoms im Bereich des tastbaren Knotens im unteren Pol des rechten Schilddrüsenlappens. Für das zu planende Resektionsausmaß wäre zwingend die präoperative Anfertigung eines Basisszintigramms in dieser Situation erforderlich gewesen.
Die Operation wurde unter der durch nichts gestützten Annahme eines solitären autonomen Adenoms inadäquat durchgeführt. Eine präoperative Basisszintigraphie hätte diesen Fehler verhindert. Der korrekte Eingriff hätte in der beidseitigen subtotalen Schilddrüsenresektion bestanden. Dabei ist unerheblich, daß sich später entgegen der früheren Annahme einer multifokalen Autonomie eine Autoimmunhyperthyreose herausstellte, da in beiden Fällen die doppelseitige subtotale Resektion das adäquate Operationsverfahren gewesen wäre.
Der chirurgische Gutachter beurteilt das Vorgehen des in Anspruch genommenen Chirurgen als fehlerhaft. Nachdem aus den nicht ganz aktuellen nuklearmedizinischen Befunden bereits autonome Aktivitäten auf beiden Seiten zu erkennen gewesen waren, hätte der Befund im Hinblick auf die einzuschlagende operative Strategie zwingend vor der Operation durch eine Basisszintigraphie geklärt werden müssen. Die Indikation zu einer Polresektion am rechten Unterlappen in Verbindung mit einer Isthmusresektion war aus den vorliegenden Befunden keinesfalls abzuleiten. Als anspruchsberechtigende Folgen ergeben sich aus dem Behandlungsfehler:
- Ertragen einer unnötigen Schilddrüsenoperation
- Unbeeinflußte Beschwerden durch die fortbestehende Hyperthyreose
- Verlängerung der Behandlungsdauer.
Die Schlichtungsstelle ist den Wertungen der Gutachten in allen Punkten gefolgt.