Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 06/2006
Einleitung
Die Außenknöchelfraktur ist eine häufige Verletzung des Bewegungsapparates. Sowohl in der Praxis als auch in der Klinik stellen die Verletzungen des oberen Sprunggelenkes eine Behandlungsindikation dar. Entsprechend der Klassifikation nach Weber besteht bei Verletzungen der Syndesmose, selbst bei nur gering dislozierten Frakturen, bei Gelenkbeteiligung eine Operationsindikation. Die Verletzung trifft sowohl junge als auch alte Menschen, bei den älteren Patienten ist die Komorbidität (zum Beispiel in Form von Diabetes mellitus, Osteoporose, Durchblutungsstörungen oder diabetischer Neuropathie) häufig sehr hoch. Diese Patienten sind oftmals schmerzarm und kommen deshalb deutlich verzögert in ärztliche Behandlung.
All diese Faktoren spielen eine große Rolle für das Auftreten postoperativer Komplikationen, zu denen besonders der postoperative Infekt zählt. Zur Vermeidung beziehungsweise Kontrolle der Probleme ist es notwendig, den chirurgischen Revisionseingriff so früh wie möglich durch zu führen. Eine ungezielte Antibiotikatherapie verzögert den Eingriff und ist grundsätzlich kontraindiziert. Antibiotika können nur – wenn überhaupt – gezielt nach Erstellen eines Antibiogramms unterstützend eingesetzt werden.
Kasuistik
Ein 30-Jähriger zog sich beim Fußballspielen einen Außenknöchelbruch rechts vom Typ Weber A beziehungsweise 44A1 der AO-Klassifikation in Verbindung mit einer Ruptur des Außenknöchelbandapparates zu (Lig. Fibulo-talare anterius und fibulo-calcaneare). Die Verletzung wurde am Unfalltag in der unfallchirurgischen Klinik eines Krankenhauses der Maximalversorgung operiert: Gelenkspülung, Plattenosteosynthese der Fraktur, Nahtadaptation der zerrissenen Bänder. Postoperativ wurde das Sprunggelenk in einer Unterschenkelgipsschiene ruhig gestellt. Am fünften postoperativen Tag erfolgte die Entlassung in die Weiterbehandlung des örtlichen Truppenarztes.
Am achten postoperativen Tag wurde der Patient wegen zunehmender Schmerzen und Schwellung in der Verletzungsregion ambulant in der Klinik vorgestellt. Eine vermutete Venenthrombose wurde mittels Phlebographie ausgeschlossen. An eine Infektion wurde nicht gedacht, die Wunde mit „ohne Befund“ klassifiziert, Entzündungsparameter nicht bestimmt. Bei der nächsten Vorstellung in der Klinik am 14. postoperativen Tag entfernte man die Hautnähte. Dabei entleerten sich über 100 ml unter Druck stehenden Eiters infolge einer eitrigen Infektion der Wunde und des oberen Sprunggelenkes. Erreger: Staphylococcus aureus.
Noch am gleichen Tage erfolgte eine radikale Revision des Operationsgebietes mit Debridement, Ruhigstellung des Sprunggelenkes durch gelenkübergreifenden Fixateur extern sowie Anlage einer Saugspüldrainage in das obere Sprunggelenk. Es folgten weitere Wundrevisionen mit Debridement und Entfernung der Platte. Der Fixateur wurde dreizehn Wochen nach seiner Anlage bei inzwischen beherrschter Infektion entfernt. In einem der eitrig infizierten Pinkanäle kam es zur Sequesterbildung, die ein Jahr später nochmals eine ausgiebige Revision des betroffenen Pinkanals erforderlich machte. Als Ausheilungszustand resultierte eine fast vollständige Versteifung des oberen Sprunggelenkes mit entsprechenden Beschwerden und Behinderungen neben umfangreicher Narbenbildung.
Der Patient wirft den Ärzten des behandelnden Krankenhauses vor, die Infektion nicht rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt zu haben. Das habe zur Ausbreitung der Infektion mit der Folge einer langwierigen Behandlung und der Einsteifung des oberen Sprunggelenkes geführt.
Das sagt der Gutachter
Der von der Schlichtungsstelle beauftragte Gutachter beurteilt den Behandlungsverlauf wie folgt:
Aufgrund des Verletzungsmusters habe nur eine relative Indikation für eine operative Behandlung bestanden. Im Hinblick auf eine möglichst schnelle Wiedererlangung der vollen Funktion und Belastbarkeit des oberen Sprunggelenkes bei einem sportlich aktiven Mann sei die Indikationsstellung jedoch vertretbar. Das Auftreten der Infektion selbst könne nicht als Ausdruck eines Behandlungsfehlers gewertet werden.
Dagegen hätte bei der Vorstellung am achten postoperativen Tag aufgrund des klinischen Bundes zwingend die Möglichkeit einer Infektion mit entsprechender sorgfältiger Untersuchung der Operationswunde und Kontrolle der Entzündungsparameter in Betracht gezogen werden müssen. Bei derartiger Untersuchung wäre die Infektion zu diagnostizieren und frühzeitig zu behandeln gewesen. Dieses Versäumnis wertet der Gutachter als vermeidbaren Behandlungsfehler mit der Folge, dass die erforderlichen chirurgischen und allgemeinen Behandlungsmaßnahmen um sieben Tage verzögert einsetzten. Die Behandlung der Wundinfektion selbst sei korrekt erfolgt.
Die Konsequenzen dieses Fehlers schätzt der Gutachter folgendermaßen ein: Auch bei zeitgerechter Behandlung der Infektion wäre vermutlich ein bleibender Schaden begrenzten Ausmaßes zu erwarten gewesen. Infolge der um sieben Tage verzögerten Behandlung sei der eingetretene Schaden, besonders die Versteifung des oberen Sprunggelenkes aufgrund der Zerstörung des Gelenkknorpels, jedoch erheblich gefördert worden. In welchem Maße die verzögerte Behandlung der Infektion den Schaden verschlimmert habe, sei allerdings nicht exakt zu benennen. Für die Bemessung des Schadenersatzanspruches schlägt der Gutachter vor, sowohl hinsichtlich der Dauer der Behandlung (mehr als ein Jahr), der operativen Behandlungsmaßnahmen als auch des eingetretenen Dauerschadens (Versteifung des oberen Sprunggelenkes) den eingetretenen Schaden jeweils zur Hälfte auf den Behandlungsfehler zu beziehen.
Die Schlichtungsstelle schloss sich dieser Wertung des Gutachters uneingeschränkt an und empfahl eine außergerichtliche Regulierung.