Positioning Injuries Associated with Goiter Operation and the Subsequent 30-hour Mechanical Ventilation
Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 06/2002
Kasuistik
Im Zusammenhang mit einer Thyreoidektomie wegen einer Knotenstruma traten folgende Komplikationen auf:
- frühpostoperative Nachblutung mit der Notwendigkeit der operativen Revision der Operationswunde zur Blutstillung und zur Entfernung des Blutergusses
- in diesem Zusammenhang wurde die Narkose über eine sogenannte transnasale fiberoptische Intubation der Luftröhre bei Bewußtsein eingeleitet. Den Intubationsvorgang mußte die Patientin somit miterleben
- maschinelle Beatmung über ca. 30 Stunden wegen einer Kehlkopfschwellung
- Lähmung des rechten Nervus recurrens
Vorübergehende Nervenstörung an der rechten Hand (Parästhesien).
Diese Komplikationen und deren Therapie sind in den Behandlungsunterlagen dokumentiert. Keinerlei Hinweise finden sich in den Behandlungsunterlagen jedoch zu einer weiteren von der Patientin beklagten Komplikation: Hautschäden an beiden Fersen, beiden Großzehen und am Hinterkopf.
Die Patientin beauftragte die Schlichtungsstelle mit der Überprüfung des gesamten Behandlungsvorganges. Ihrem Antrag fügte sie Fotographien der beiden Fersen, Großzehen und von einer Kopfregion als Beleg für die bei der Behandlung eingetretenen Hautschäden bei. Im besonderen beklagt sie, daß man nach der Strumaoperation die zunehmende Atemnot nicht gebührend beachtet habe und dadurch die notwendige Revisionsoperation unnötig hinausgeschoben habe, bis sie in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten sei. Hierdurch hätte sie panikartige Angstzustände ertragen müssen, die zu anhaltenden Schlafstörungen führten.
In Stellungnahmen der verantwortlichen Ärzte (Chirurgie, Anästhesie, Intensivtherapie) wird das Vorgehen bei der Behandlung der Komplikationen kommentiert und begründet. Die von der Patientin beschriebenen Hautveränderungen seien während der stationären Behandlung nicht festgestellt worden.
Der von der Schlichtungsstelle beauftragte Gutachter setzt sich mit dem Behandlungsverlauf und den im einzelnen getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen eingehend auseinander und kommt zu folgenden Wertungen:
- Die Entfernung beider Schilddrüsenlappen war entsprechend den Ergebnissen der präoperativen Diagnostik und des bei der Operation festgestellten Befundes angemessen und korrekt. Die Patientin sei vor der Operation zeitgerecht und ausführlich über die Risiken aufgeklärt worden, insbesondere auch auf die Möglichkeit einer Nachblutung.
- Die postoperativ eingetretene rechtsseitige Recurrensparese sei angesichts des aus dem Operationsbericht zu entnehmenden sorgfältigen operativen Vorgehens als unverschuldet anzusehen.
- Die Nachblutung sei ebenfalls als unverschuldete Komplikation zu werten. Der Zeitpunkt der notwendigen operativen Revision war ausweislich der lückenlos kontrollierten postoperativen Überwachungsparameter nicht zu beanstanden.
- Die Revisionsoperation wurde zeitgerecht und korrekt durchgeführt.
- Die schweren Belästigungen durch die fiberoptische Intubation bei Bewußtsein sind zu bestätigen. Unter den gegebenen Umständen war dieses Intubationsverfahren aber zwingend indiziert, da die Einleitung der Narkose ohne vorherige Sicherstellung einer Beatmungsmöglichkeit zu lebensbedrohlichen Komplikationen hätte führen können.
- Die Hautveränderungen an Fersen und Kopf sieht der Gutachter als typisch für Lagerungsschäden an. Aus der Behandlungsdokumentation lasse sich jedoch dieser Zusammenhang nicht beweisen.
Die Patientin nahm zum Gutachten Stellung. Die gutachterlichen Aussagen werden zum Teil in Frage gestellt. Im besonderen wird jedoch darauf verwiesen, daß die Hautschäden an Kopf und Füßen tatsächlich im Krankenhaus entstanden seien. Dies ginge aus der Behandlungsdokumentation ihrer Hausärztin unmittelbar nach Entlassung aus dem Krankenhaus hervor.
Die Schlichtungsstelle stimmt mit den Aussagen des Gutachtens darin überein, daß die unmittelbar mit der Schilddrüsenoperation im Zusammenhang stehenden Komplikationen und deren Behandlung nicht auf vermeidbar fehlerhaftes Handeln schließen lassen.
Bezüglich der Hautschäden sieht die Schlichtungsstelle im Gegensatz zum Gutachter den Zusammenhang zwischen einer fehlerhaften Lagerung und den Hautdruckschäden an Kopf und Füßen im Wege des Anscheinsbeweises als erwiesen an. Vom Lokalbefund her entsprechen die betroffenen Stellen exakt den typischen Druckstellen: Hinterkopf – ungenügende Kopfpolsterung, Fersen – unterlassene Hohlagerung der Fersen. Es ist nicht vorstellbar, daß diese Hautschäden, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung im Krankenhaus Eberswalde aufgetreten sind, durch andere Ursachen ausgelöst worden wären. Die Beweisführung wird nachhaltig unterstützt durch die Eintragung in der Behandlungsdokumentation der nachbehandelnden Ärztin am ersten Tag nach Entlassung aus stationärer Behandlung: „Unklare Hautveränderungen an beiden Fersen und Hinterkopf …“
Die Schlichtungsstelle geht somit bezüglich der Hautschäden an Hinterkopf und Fersen von einem fehlerbedingten Lagerungsschaden aus. Dieser Schaden hätte bei exakter Lagerungskontrolle vermieden werden können. Besondere Umstände, die einen derartigen Schaden trotz exakter Lagerungskontrolle hätten begünstigen können, liegen nicht vor. Ob dieser Lagerungsschaden bei einer der Operationen oder im Rahmen der eintägigen maschinellen Beatmung aufgetreten ist, ist haftungsrechtlich unerheblich.
Folgen des fehlerbedingten Lagerungsschadens sind: Schmerzen, vorübergehende Gehbehinderung, verlängerte Behandlungsdauer. Die Schlichtungsstelle hielt Schadenersatzansprüche für begründet und empfahl die Frage einer außergerichtlichen Regulierung zu prüfen.