Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 9/2011
Kasuistik
Eine 15-jährige Patientin war mit dem linken oberen Sprunggelenk umgeknickt und hatte sich aufgrund von Schwellung und Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenkes in einem Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) vorgestellt. Die klinische Verdachtsdiagnose einer Syndesmosenruptur konnte kernspintomographisch bestätigt werden. In Allgemeinnarkose wurde neun Tage später die Naht der Syndesmose durchgeführt und mit einer Stellschraube gesichert.
Die Entfernung der Schraube wurde nach sechs Wochen geplant. Der Patientin wurde empfohlen, in dieser Zeit den linken Fuß unter entsprechendem Heparinschutz nur teilweise zu belasten. In der fünften Woche nach dem Primäreingriff erfolgte eine Röntgenkontrolle des oberen Sprunggelenkes. Die Schraube zeigte weder Lockerungszeichen noch Hinweise auf einen Bruch. Der Eingriff zur Entfernung erfolgte dann zehn Tage später unter Bildwandlerkontrolle in Lokalanästhesie in einem aseptischen Eingriffsraum. Nach Hautinzision über der Schraube wurde festgestellt, dass sie jenseits des Wadenbeines, zum Schienbein hin, gebrochen war. Daraufhin wurde der operative Eingriff beendet, eine Wundversorgung durchgeführt und die Patientin vier Tage später zur Kontrolle bestellt.
Aufgrund dieser ergebnislosen Operation suchte die Patientin aber am darauffolgenden Tag die nächstgelegene Universitätsklinik auf. Dort wurde eine beginnende Infektion des Hautschnitts festgestellt und nach täglicher Wundbehandlung die Schraube zehn Tage später in ihren separaten Anteilen in Vollnarkose entfernt. Anschließend kam es zu Rötung und Schwellung sowie eitriger Sekretion. Die Wunde wurde revidiert, debridiert und offengelassen. Nach mehrfachen Revisionen erfolgte dann eine Sekundärnaht unter Antibiotikatherapie.
Die Patientin klagte noch längere Zeit über Belastungsschmerzen und eine sehr empfindliche Narbe über dem Außenknöchel.
Von den Eltern der Patientin wurde gegenüber den Ärzten des MVZ der Vorwurf fehlerhafter Behandlung erhoben. Zur Kontrolle des Zustands der Schraube sei unmittelbar präoperativ keine Röntgenaufnahme erfolgt. Dadurch sei der Schraubenbruch nicht erkannt worden. Hätte man sich ordnungsgemäß über den Zustand der Schraube informiert, wäre die Eröffnung der Wunde zu diesem Zeitpunkt überflüssig gewesen. Über den Hautschnitt am linken Knöchel sei es dann zu einer Wundinfektion gekommen.
Von den behandelnden Ärzten des MVZ wurde entgegnet, dass die Metallentfernung ordnungsgemäß nach etwa sechs Wochen geplant gewesen sei. Zwei Wochen vor diesem Termin sei eine Röntgenaufnahme durchgeführt worden, die keinen Bruch der Syndesmosenschraube gezeigt habe. Die Operation in Lokalanästhesie sei dann abgebrochen worden, als im Bildwandler der Defekt der Schraube deutlich geworden sei. Unter dieser Prämisse hätte der Eingriff nur in Vollnarkose durchgeführt werden können. Vor einer weiteren Planung habe die Patientin den behandelnden Arzt gewechselt
Gutachten
Der von der Schlichtungsstelle beauftragte Gutachter hat folgende Kernaussagen getroffen:
Der Schraubenbruch sei möglicherweise doch als Folge der Belastung des linken Beins durch die Patientin anzusehen. Der Defekt im Metall lasse sich präoperativ oftmals bildgebend nicht darstellen. Das Vorgehen in Bezug auf die Entfernung der Schraube sei zunächst korrekt gewesen. Es wäre aber als fehlerhaft zu werten, dass man nach Lokalisation der defekten Schraube durch den Bildwandler diese nicht sofort entfernt habe. Die später aufgetretene Infektion der Wunde könne nicht auf Fehler beim ersten Versuch der Metallentfernung zurückgeführt werden. Hier handele es sich um eine typische Komplikation, die auch bei sorgfaltsgerechtem Vorgehen nicht immer vermeidbar sei.
Die Ärzte des MVZ hielten dem entgegen, dass unter den begonnenen hygienischen und anästhesiologischen Umständen eine Metallentfernung der gesamten Schraube nicht zu verantworten gewesen sei. Sie hätten geplant, in Abstimmung mit der Patientin den Eingriff zu einem späteren Zeitpunkt bei reizlosen Wundverhältnissen in Vollnarkose durchzuführen.
Entscheidung der Schlichtungsstelle
Die unzureichende bildgebende Kontrolle zur Integrität des Metalls und damit das Übersehen des Schraubenbruchs unmittelbar vor dem Eingriff ist dem behandelnden Arzt als vermeidbar fehlerhaft anzulasten. In der Folge dieser Fehleinschätzung wurde die Operation begonnen und eine Hautinzision gelegt. Der Entschluss des Operateurs, den Eingriff nach Erkennen des Schraubendefekts abzubrechen und die Entfernung des Metalls in einer späteren Sitzung in Vollnarkose durchzuführen, ist nicht zu beanstanden. In der konkreten Situation war eine Ausdehnung des Eingriffs weder für die Patientin zumutbar noch von den Risiken her angezeigt.
Nach Aktenlage war davon auszugehen, dass die Wundinfektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits primär bei der wegen der unterlassenen bildgebenden Kontrolle fehlerbedingten Schnittlegung induziert wurde.
Als fehlerbedingte Gesundheitsschäden waren die erste abgebrochene Operation, die Behandlung der infizierten Wunde sowie die unter Schmerzen um etwa zwei Monate verlängerte Krankheitsdauer anzusehen.
Die Schlichtungsstelle hielt Schadenersatzansprüche für begründet und empfahl eine außergerichtliche Regulierung