Bilateral, Subtotal Thyroid Resection without Medical Indication
Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 11/2001
Kasuistik
Nach zehnjähriger internistischer Behandlung wurde bei einer zum Zeitpunkt der Operation 36-jährigen Patientin unter der Diagnose: „Größere Struma nodosa beidseits mit intermittierender Hyperthyreose“ eine beidseitige subtotale Schilddrüsenresektion durchgeführt und im Operationsbericht als Indikation zusätzlich eine „durch ambulante Szintigraphie nachgewiesene disseminierte Autonomie der Schilddrüse beidseits“ dokumentiert.
Wegen der Ausbildung einer verbreiterten wulstigen, zudem schief verlaufenden Narbe, die den Hals verunstaltet und sie psychisch belastet, beansprucht die Patientin Schmerzensgeld und die Übernahme der Kosten für eine kosmetische Operation.
Zur Beurteilung des Behandlungsverlaufs wurden von der Schlichtungsstelle ein chirurgischer und ein internistisch-endokrinologischer Gutachter beauftragt.
Der chirurgische Gutachter beweist zunächst, daß anhand von zwei ambulant durchgeführten Schilddrüsenszintigrammen und einem Suppressionstest eine Schilddrüsenautonomie ausgeschlossen werden konnte und somit die im Operationsbericht angeführte Indikation einer „durch ambulante Szintigraphie nachgewiesenen disseminierten Autonomie der Schilddrüse beidseits“ nicht zutreffend war. Bei der klinischen Untersuchung im Krankenhaus wurde eine minimal vergrößerte Struma bei nicht tastbaren Knoten und sonographisch ein symmetrisches Organ mit einem Volumen von 10 ml rechts und 11 ml links im Normbereich liegend beschrieben. Die patho-histologische Untersuchung der Operationspräparate ergab einen fokal nur angedeuteten knotigen Charakter mit dazwischenliegenden mikrofolliculären Nestern und keinen Hinweis für gesteigerte endokrine Aktivitäten. Der Gutachter sieht darin eine Bestätigung der präoperativen Szintigraphiebefunde. Damit war die Diagnose einer Struma nodosa beidseits nicht zutreffend, eine intermittierende Hyperthyreose falsch und nicht belegt. Insgesamt ergab sich aus vorliegenden Untersuchungen keine Indikation zur Durchführung einer Schilddrüsenresektion. Die Schilddrüsenoperation wurde unter einer Diagnose durchgeführt, die aus den vorliegenden Befunden nicht nachzuvollziehen war. Bei sorgfältiger Analyse der Befunde und Durchführung des von nuklearmedizinischer Seite empfohlenen zweiten Suppressionstests wäre die Korrektur der Operationsindikation möglich gewesen, die Operation nicht erfolgt und Folgezustände wären ausgeblieben.
Die Durchführung der Operation beurteilt der Gutachter als fachgerecht, die vordergründig beklagte Narbensituation als unerheblich und nicht durch fehlerhaftes Vorgehen bedingt.
Aus der Sicht des internistisch-endokrinologischen Fachgebietes stellt der Gutachter übereinstimmend mit dem chirurgischen Gutachter fest, daß die Schilddrüsenoperation nicht indiziert war. Der sonographische Befund und auch der funktionsdiagnostische Befund haben gegen diese Behandlungsmaßnahme gesprochen. Es habe sich um eine nur leicht vergrößerte Schilddrüse mit normaler Funktion gehandelt, der Befund entspreche einer typischen Jodmangelsituation mit einer deutlich vermehrten Affinität der Schilddrüse zur Aufnahme von Jod, die eine entsprechende konservative Therapie, jedoch keine Operation erfordere. Eine funktionelle Autonomie wurde in der Tc-Szintigraphie mit Suppresstionstest 1994 nicht eindeutig belegt und wurde 1996 nicht bewiesen, da ein Suppresstionstest nicht erfolgte. Der Behandlungsansatz mit Beta-Blockern war richtig. Eine Behandlung mit einem Kombinationspräparat aus Schilddrüsenhormonen und Jod war indiziert, eine Radio-Jod-Therapie ohne faßbare Autonomie mit oder ohne Hyperthyreose nicht indiziert.
Die aus der nicht indizierten Schilddrüsenoperation entstandenen Folgen einer lebenslangen Schilddrüsenunterfunktion mit Behandlungspflicht durch Substitution mit Schilddrüsenhormonen, die beeinträchtigende Narbe und die Operation selbst, sind als behandlungsbedingter Schaden aufzufassen.
In einem ärztlichen Befund ein Jahr nach der Operation wurde eine reizlose Operationsnarbe dokumentiert.
Die Schlichtungsstelle befand sich in Übereinstimmung mit den von beiden Gutachtern gleichlautend getroffenen Bewertungen und empfahl die außergerichtliche Regulierung des Schadenersatzes.