Intravenous Administration of Medication through an Indwelling Cannula without Medical Indication Resulted in an Abscess-forming Phlebitis and Subsequent Sudeck’s Dystrophy
Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 04/2006
Kasuistik
Eine 59 Jahre alte Frau wurde wegen einer Blutung aus dem oberen Gastrointestinaltrakt in der Inneren Abteilung eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung stationär aufgenommen. Als Blutungsquelle wurde gastroskopisch ein Ulcus duodeni nachgewiesen, das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr blutete. Die Kreislaufverhältnisse waren stets stabil, so daß weder kreislaufstützende Maßnahmen (Infusionen) noch Blutersatz erforderlich wurden. Nach Klärung der Diagnose noch am Aufnahmetag wurde eine Eradikationstherapie mit Antibiotika und einem Protonenpumpenhemmer (Antra) angesetzt. Bei dem Versuch, die Medikamente als Infusion am linken Handrücken und später am linken Unterarm zu applizieren, kam es wiederholt an den Punktionsstellen zu Hämatomen, die jeweils zur Entfernung der Venüle zwangen. Letztlich wurde am dritten Behandlungstag am linken Unterarm eine Braunüle als parenteraler Zugang angelegt, über die weiterhin lediglich die Medikamentenapplikation als Infusion lief. Diese Therapie wurde weitere zwei Tage fortgesetzt, danach wurde die Baunüle wegen einer inzwischen aufgetretenen Venülenphlebitis entfernt. Seitens des Ulcus waren zwischenzeitlich keine Komplikationen mehr aufgetreten.
Drei Tage nach Entfernung der Braunüle wurde eine abszedierende Thrombophlebitis im Bereich der Punktionsstelle inzidiert, die thrombosierte Vene wurde exzidiert. Der Befund wurde im Arztbericht der Klinik als „abszedierende Thrombophlebitis mit septischer Thrombose im Bereich des rechten Unterarmes mit umgebender Weichteilphlegmone“ beschrieben. Der lokale Entzündungsprozeß wurde durch den chirurgischen Eingriff und die begleitende antibiotische Therapie beherrscht. Im weiteren Verlauf kam es jedoch zur Ausbildung einer Sudeck’schen Dystrophie im Bereich des rechten Unterarmes und der rechten Hand. Diese erforderte eine langfristige Behandlung und führte wahrscheinlich zu bleibenden Funktionsstörungen.
Die Patientin sah die aus der Verweilkanüle am Unterarm hervorgegangenen Komplikationen als fehlerbedingt an und wandte sich an die Schlichtungsstelle.
Seitens des in Anspruch genommenen Arztes wurde argumentiert, daß die Anlage der Braunüle am Unterarm am dritten Behandlungstag noch zwingend notwendig gewesen sei, um im Falle einer Rezidivblutung sofort einen intravenösen Zugang zur Verfügung zu haben.
Der Vorgang wurde in dem von der Schlichtungsstelle angeforderten internistischen Gutachten wie folgt beurteilt: Die zuletzt am rechten Unterarm angelegte Verweilkanüle war ursächlich für die abszedierende Thrombophlebitis und die nachfolgende Sudeck’sche Dystrophie. Die Anlage dieser Verweilkanüle am 3. Behandlungstag war nicht indiziert:
- Es lag zu diesem Zeitpunkt keine Situation mehr vor, die eine akute Kreislaufkrise hätte befürchten lassen müssen.
- Zum gegebenen Zeitpunkt hätte die effektive Ulcustherapie ohne jede Einschränkung enteral erfolgen können und müssen.
- Zusätzlich wird darauf verwiesen, daß es bereits vorangehend zweimal zu Hämatomen im Bereich der Venenpunktionsstellen gekommen war, so daß eine entsprechende Zurückhaltung nahegelegen hätte.
Die intravenöse Applikation der Medikamente war somit nicht indiziert. Die Zuführung über eine Verweilkanüle war vermeidbar fehlerhaft. Alle Folgen, die sich aus der nicht indizierten Anlage der Verweilkanüle ergeben haben, waren fehlerbedingt. Hieraus ergaben sich Ansprüche aus:
- Den Schmerzen, ausgelöst einerseits durch die Phlebitis und die chirurgische Behandlung, andererseits insbesondere durch das Sudeck’sche Schmerzsyndrom.
- Langfristige Verlängerung der Behandlungsdauer, die bei unterlassener intravenöser Applikation zwei Wochen nicht überschritten hätte.
- Entsprechend langfristige Verlängerung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
- Zum Zeitpunkt der Begutachtung konnte noch nicht abschließend festgestellt werden, ob aus der Sudeck’schen Dystrophie ein Dauerschaden, ggf. in welchem Ausmaße hervorgegangen ist. Es wurde empfohlen, nach Ablauf eines weiteren Jahres hierzu ein handchirurgisches Gutachten einzuholen.
Die Schlichtungsstelle schloß sich dem Ergebnis der internistischen Begutachtung uneingeschränkt an und empfahl die außergerichtliche Regulierung des Schadenersatzes.