Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 02/2008
Kasuistik
Die 67-jährige Patientin wurde nach einem im September 2004 erlittenen, interventionell behandelten Hinterwandinfarkt rezidivierend linksherzinsuffizient. Die Ursache dafür sah man in einer deutlichen Einschränkung der linksventrikulären Funktion (EF 30 – 45 Prozent) sowie in einer zunehmenden Mitralinsuffizienz, die im Verlauf als viertgradig mit sekundärpulmonaler Hypertonie eingestuft wurde. Deshalb riet man der Patientin zu einer operativen Behandlung der Mitralklappe. Die stationäre Behandlung erfolgte im Dezember 2004 in einer herzchirurgischen Abteilung.
Nach den üblichen Vorbereitungen wurde die Mitralklappenrekonstruktion vorgenommen. Zur Implantation kam ein Physioring mit 28 Millimeter Durchmesser. Gleichzeitig wurde ein Venenbypass auf den Ramus intraventrikularis anterior genäht.
Intraoperativ erfolgte die Testung der rekonstruierten Klappe mittels Wasserprobe sowie durch die transösophagiale Sonde (TEE). Für letztere Untersuchung wurde der Druck und die Kontraktilität des Herzens mit Suprarenin erhöht. Unter allen Bedingungen war die Klappe kompetent.
Der postoperative Verlauf war weitgehend unauffällig. Es trat zwar ein Vorhofflimmern auf, das jedoch medikamentös in einen Sinusrhythmus konvertiert werden konnte. Außerdem wurde ein HIT II diagnostiziert und entsprechend behandelt. In den beiden Echokontrollen während der stationären Behandlung fielen die schlechte linksventrikuläre Funktion sowie eine Mitralinsuffizienz I auf, was bei Rekonstruktionen jedoch als normal gilt.
Kurz vor Weihnachten wurde die Patientin mit reizlosen Wundverhältnissen, unauffälligen Leukozyten sowie mit typisch postoperativ veränderten CRP-Werten direkt in die Anschlussheilbehandlung verlegt.
Während der Rehabilitationsphase trat eine erneute Linksherzinsuffizienz auf, so dass die Patientin in die operative Abteilung zurückverlegt und unter der Diagnose Mitralinsuffizienz III – IV 30 Tage nach der Erstoperation re-operiert wurde. Intraoperativ kam der Verdacht auf ein infektiöses Geschehen auf. Die genommenen Abstriche blieben aber steril. Zur Implantation gelangte eine Mosaik-Bioprothese Größe 21 unter Auffädelung der erhaltenen Reste des posterioren Mitralsegels.
Die Patientin war der Ansicht, der Operateur der Erstoperation habe die entzündete Herzklappe übersehen, ferner hätten sich zu viele Bakterien im Blut befunden. Auch die zweite Operation sei fehlerhaft gewesen, da ein Teil der alten Herzklappe in situ belassen worden war.
Aus dem Gutachten
Der von der Schlichtungsstelle beauftragte externe Gutachter kommt zu folgender Bewertung:
- Die Operation sei indiziert gewesen, die rezidivierende Linksdekompensation hätte eine weitere konservative Therapie wenig erfolgversprechend erscheinen lassen.
- Der Vorwurf, der Operateur habe eine Entzündung der Mitralklappe beziehungsweise das präoperative Auftreten zu vieler Bakterien im Blut übersehen, sei aus den Unterlagen nicht nachvollziehbar. Alle mehrmals kontrollierten Entzündungsparameter wären normal gewesen. Auch die echokardiographischen Kontrollen sprächen gegen eine Entzündung.
- Die Entscheidung zur Mitralrekonstruktion wäre als sachgerecht anzusehen, denn allgemein gelte: Rekonstruktion geht vor Klappenersatz. Bei technischer Möglichkeit zur Rekonstruktion sei die eigene Klappe jeder Kunstklappe überlegen.
- Die intraoperative Testung der rekonstruierten Klappe habe dem geltenden Standard entsprochen.
- Die postoperative Betreuung wäre fachgerecht gewesen. Die mehrmals durchgeführten echokardiographischen Untersuchungen würden keine Dysfunktion der rekonstruierten Klappe belegen. Die Laborparameter hätten keinen Anhalt für entzündliches Geschehen gezeigt.
- Die technische Durchführung der Revisionsoperation im Dezember 2004 sei nicht zu beanstanden. Die primär vermutete Entzündung an der Klappe hätte sich bakteriologisch nicht nachweisen lassen. Der Erhalt eines Teils des Halteapparates der Mitralklappe sei üblich. Damit werde die Langzeitprognose verbessert. Das Verfahren sei nicht als fehlerhaft zu beurteilen, sondern sollte immer angewandt werden.
Zusammenfassend schließt der Gutachter einen Behandlungsfehler aus.
Ausrisse sind in der gesamten Chirurgie bekannt. Chirurgisch kann nur das Gewebe nahttechnisch genutzt werden, das vorliegt. Vor diesem Hintergrund kann es zu Narbenbrüchen, Klappenausrissen beziehungsweise Nahtaneurysmen kommen. Neben intra- und postoperativen Faktoren spielen auch endogene Faktoren wie Kollagenstoffwechselstörungen eine Rolle, so dass es im Einzelfall unmöglich ist zu entscheiden, warum es zum Ausriss gekommen ist.
Die Schlichtungsstelle schloss sich der Bewertung des Gutachters an. Bei der hier vorliegenden Schädigung handelt es sich um eine Komplikation, die auch auftreten kann, wenn ärztlicherseits fehlerfrei vorgegangen wurde. Allein das Auftreten der Komplikation kann deshalb nicht als Beweis für fehlerhaftes ärztliches Vorgehen gewertet werden.
Die Schlichtungsstelle hielt deshalb einen Haftungsanspruch für nicht begründet.