Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 09/2010
Die Verabfolgung eines Reinigungseinlaufes oder Klistiers erfolgt in der Regel auf ärztliche Anordnung durch das entsprechend geschulte Pflegepersonal. Für fehlerbedingte Komplikationen in diesem Zusammenhang tritt die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses ein.
Kasuistik
Bei einer 49-jährigen Patientin wurde nach einer Operation im Bereich der Lendenwirbelsäule am zweiten postoperativen Tag „routinemäßig“ ein Reinigungseinlauf über ein Darmrohr durchgeführt. Bei dieser Maßnahme kam es zu einer perforierenden Verletzung des Rektum vier Zentimeter oberhalb des Anus. Die Verletzung wurde infolge rektaler Blutungen kurzfristig festgestellt und chirurgisch mit transanaler Naht der Perforation und Anlage einer protektiven Kolostomie versorgt. Nach unkompliziertem Heilverlauf wurde die Kolostomie sieben Monate später wieder verschlossen. Die Patientin geht davon aus, dass der Rektumperforation eine fehlerhaft durchgeführte pflegerische Maßnahme zugrunde liegt und forderte Schadenersatz für die Folgen dieser Komplikation.
Seitens des in Anspruch genommenen Krankenhauses wurde argumentiert: Der Reinigungseinlauf am zweiten postoperativen Tag hätte einem festgelegten, klinikeigenen Pflegestandard für Wirbelsäulenoperationen entsprochen. Im vorliegenden Fall habe eine Darmträgheit infolge langfristiger Schmerzmittelnahme vorgelegen, somit sei der Einlauf indiziert gewesen. Zur Verursachung der Rektumperforation wurde nicht Stellung genommen.
Gutachten
Der beauftragte viszeralchirurgische Gutachter bestätigte, dass der Reinigungseinlauf zum gegebenen Zeitpunkt indiziert war. Es hätten keine besondere Umstände vorgelegen, die gegen diese Maßnahmen gesprochen hätten. Bezüglich der Rektumverletzung wird festgestellt, dass diese zwar eine sehr seltene, im Einzelfall aber unvermeidbare Komplikation sei. Auf ein fehlerhaftes Vorgehen könne aus einem solchen Vorfall nicht geschlossen werden.
Entscheidung der Schlichtungsstelle
Die Schlichtungsstelle gelangte abweichend vom Gutachter zu folgenden Bewertungen:
1. Indikationsstellung:
In der operativen Medizin ist die Verabfolgung eines Klistiers oder Einlaufes zur Darmentleerung grundsätzlich keine Routinemaßnahme. Diese Maßnahme ist individuell zu indizieren in Abhängigkeit von der Art des Eingriffes, der aktuellen Darmfunktion, der Darmfüllung und gegebenenfalls
anderer Umstände. Inwieweit im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Durchführung eines Reinigungseinlaufes gegeben waren, war nach Aktenlage nicht eindeutig zu beurteilen. Eine fehlerhafte Indikationsstellung ließ sich nicht beweisen.
2. Durchführung des Reinigungseinlaufes:
Bei gesunden Verhältnissen im Anal- und Rektumbereich stellt die Verabfolgung eines Einlaufes über Darmrohr oder Klistier eine praktisch risikolose Maßnahme dar, die grundsätzlich dem Pflegepersonal übertragen wird. Bei sorgfältiger Durchführung besteht keine Verletzungsgefahr des Darms. Krankhafte Veränderungen, insbesondere entzündliche oder tumoröse Rektumprozesse können jedoch das Risiko einer Rektumverletzung erhöhen. Eine derartige Situation lag aber hier nicht vor. Weder bei der Versorgung der Rektumverletzung noch bei der präoperativen Rektoskopie vor der Kolostomieresektion wurden derartige Prozesse festgestellt.
Der Gutachter leitet aus seiner Formulierung „dass es dabei trotz aller Vorsicht gelegentlich äußerst selten zu einer Darmperforation beziehungsweise zu einer Darmverletzung kommen kann…“ ab, dass die Rektumverletzung im vorliegenden Fall nicht fehlerbedingt eingetreten sei. Die Schlichtungsstelle konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. Es lag nachweislich keine Risikosituation bezüglich einer Rektumverletzung vor. Bei sorgfältiger Einführung des Darmrohres wäre diese Komplikation vermeidbar gewesen. Dass die Komplikation „äußerst selten“ vorkommen kann, ist keine Begründung für ihr nicht verschuldetes Auftreten. Die Schlichtungsstelle sah deshalb die Rektumverletzung als Folge einer fehlerhaft durchgeführten pflegerischen Maßnahme an. Als entschädigungspflichtige Folgen der fehlerbedingten Rektumperforation sind festzustellen:
– Die Rektumverletzung als solche mit Schmerzauslösung
– Die operative Behandlung der Verletzung einschließlich Anlage der Kolostomie
– Erhebliche allgemeine Beeinträchtigung durch die Kolostomie für sieben Monate
– Die operative Rückverlagerung der Kolostomie.
Die Schlichtungsstelle sah Schadenersatzansprüche als begründet an und empfahl eine außergerichtliche Regulierung.