Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Schwere phototoxische Reaktion nach lokaler Photochemotherapie

Severe Phototoxic Reaction after Topical Photochemotherapy

Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 12/2001

Kasuistik

Ein 36 Jahre alter Patient wurde wegen eines Lichen ruber in einer Hautklinik mit lokaler PUVA (Psoralene UV-A)-Bestrahlung behandelt. Die Hautveränderungen bestanden auf beiden Fußrücken und in der Sakralregion sowie beidseits an den seitlichen Thoraxpartien und subaxillar. In den ärztlichen Aufzeichnungen werden allerdings nur die Herde an den Füßen und in der Kreuzbeingegend beschrieben und zur lokalen PUVA vorgesehen. Nachdem der Patient jedoch der mit der Behandlung beauftragten Krankenschwester die weiteren Herde gezeigt hatte, wurden auch diese in die Bestrahlung einbezogen. Die Photosensibilisierung erfolgte mit einer 8 MOP-Lösung mit einer Konzentration von 0,15 %. Zunächst wurde eine UV-Dosis von 0,25 J/cm² gewählt, bei der zweiten und dritten Bestrahlung, die zwei und drei Tage später stattfanden, jedoch eine Energie von 0,5 J/cm². Weitere zwei Tage später entwickelte sich im Bereich der bestrahlten Lichen-ruber- Areale am Oberkörper, eine schwere phototoxische Reaktion mit ausgedehnter Blasenbildung. Unter lokaler Behandlung besserten sich die Veränderungen, allerdings bestand über 15 Tage Arbeitsunfähigkeit. Seitens des Patienten wurde anschließend über starkes Hautbrennen und -spannen über mehrere Monate geklagt.

Gutachterlicherseits wird erklärt, daß die lokale PUVA-Behandlung bei den bestehenden Hautveränderungen indiziert gewesen und vom Grundsatz her auch korrekt durchgeführt worden sei. Abweichend von der ursprünglichen Planung seien allerdings auch die Herde im Bereich der Axillen und seitlichen Thoraxpartien, die als besonders lichtempfindlich gelten, in die Bestrahlung einbezogen worden. Es sei zu vermuten, daß hier entweder keine eindeutige Therapieanweisung an die ausführende Schwester gegeben worden sei oder, daß diese sich ohne Rücksprache mit dem Arzt eigenmächtig über die Anordnung hinweggesetzt habe. Hierin wäre entweder ein Behandlungsfehler seitens des Arztes zu sehen oder ein Organisationsfehler bezüglich des Einsatzes nachgeordneten medizinischen Personals. Für gravierender wird jedoch die Abweichung von geltenden Therapiestandards gehalten: Grundsätzlich sei der Empfehlung zu folgen, eine Steigerung der Bestrahlungsdosis erst nach zwei bis drei Bestrahlungstagen vorzunehmen, sofern sich bis dahin keine unerwünschten, d. h. in diesem Fall phototoxische Reaktionen gezeigt hätten. Außerdem gelte, daß die Dosissteigerung bei ca. 30 % liegen sollte und keinesfalls, wie im vorliegenden Fall, 100 % betragen dürfe. Im übrigen sei auch das andere Prinzip der Dosisfindung, nämlich die Bestimmung der minimalen Phototoxizitätsdosis (MPD) nicht eingesetzt worden. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß das maximale Erythem nach PUVA-Bestrahlung erst nach 48 – 72 Stunden auftrete und deshalb auch erst drei Tage nach der Phototestung die Therapie beginnen dürfe, wobei die Bestrahlung mit etwa 20 – 30 % der durch die Phototestung bestimmten individuellen MPD einzuleiten sei.

In Kenntnis der Aktenlage und unter Berücksichtigung der Aussagen des Gutachters war demnach festzustellen, daß die Indikation zur lokalen PUVA des Lichen ruber grundsätzlich korrekt war, die Behandlung selbst jedoch von anerkannten dermatologischen Regeln abwich. Die Untersuchung des Patienten ließ Mängel in der diagnostischen Sorgfalt erkennen und die Behandlungsplanung war bezüglich der Anweisungen an das nachgeordnete medizinische Personal zumindest unvollständig. Der Vorwurf eines Organisationsfehlers ergibt sich daraus, daß eine nicht ärztliche Mitarbeiterin ohne Rücksprache mit dem für die Behandlung zuständigen Arzt eine Erweiterung oder Veränderung der Therapie vornahm. Bedeutsamer für die Entscheidung war jedoch der Umstand, daß dermatologischen Grundsätzen zuwidergehandelt wurde, als bereits bei der zweiten Sitzung eine Verdoppelung der UVA-Dosis angeordnet worden war. In diesem Zusammenhang wurde vor allem auch kritisiert, daß man seinerzeit auf die Ermittlung der MPD verzichtet hatte. Bei sorgfältigem Vorgehen hätten seinerzeit diese Fehler vermieden werden können.

Seitens der Schlichtungsstelle, die den Argumenten des Gutachters folgte, wurde als Folge des Behandlungsfehlers eine 14-tägige Arbeitsunfähigkeit, eine Unterbrechung der Bestrahlungsserie um 10 Tage sowie anfangs schmerzende und brennende Mißempfindungen und im weiteren Verlauf ein Hautbrennen und –spannen über einige Wochen als Schadenfolgen anerkannt.

Autoren:

HCK

Prof. Dr. med. H. C. Kallfelz

Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover