Kasuistik
Eine 31-jährige Patientin war nach einer zwei Jahre zuvor vorausgegangenen Sectio caesarea erneut schwanger. Wegen starker Unterbauchschmerzen rechts mehr als links und Kollaps zu Hause wurde sie in der 12. Schwangerschaftswoche unter dem Verdacht einer Appendizitis stationär aufgenommen. Es ließ sich bei der Untersuchung durch den Gynäkologen sonographisch eine intakte Schwangerschaft ohne Hinweis auf eine ektope Lage nachweisen. Der Hämoglobin-Gehalt sowie der Hämatokrit waren im Normbereich. Sonographisch wurde danach von den Radiologen ubiquitärer, nicht echofreier Aszites (über 1 Liter) diagnostiziert. Es wurde aufgrund eines fehlenden Nachweises einer pathologischen Kokarde eine Appendizitis ausgeschlossen. 3 Stunden nach Aufnahme waren der Hämoglobin-Wert und der Hämatokrit unter den Normwert gefallen. Weitere 2 Stunden später wurde von den Gynäkologen wegen persistierender Schmerzen und Schwindelzustand der Entschluss zur diagnostischen Laparoskopie gefasst. Es wurden 1,8 Liter Blut aus dem Bauchraum entfernt. Im Bereich der Sectio-Narbe im Uterus ließ sich rechts eine Perforationsstelle erkennen, aus der die Blutung resultierte (Abb.1). Es wurde einer Narbenschwangerschaft nach Sectio caesarea mit Ruptur und Blutung diagnostiziert und eine Laparotomie angeschlossen. Die Sectio-Narbe mit der blutenden, rupturierten Schwangerschaft wurde exzidiert. Die Patientin musste intensivmedizinisch behandelt werden. Im Weiteren war eine psychiatrische Betreuung notwendig.
Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen
Die Patientin wirft den behandelnden Ärzten vor, dass bereits auf den ersten Ultraschall-Aufnahmen zu erkennen gewesen sei, dass es sich um eine „vorzeitige fehlgeschlagene Schwangerschaft“ gehandelt habe, welche operativ hätte versorgt werden müssen. Durch die zeitliche Verzögerung sei es zu stärkeren Blutungen gekommen, die zu „massiven Problemen“ geführt hätten.
Stellungnahme Krankenhaus
Auf den Vorwurf fehlerhaften Handelns wurde seitens der Klinik mit einer eigenen Darstellung des Sachverhalts reagiert. Behandlungsfehler wurden in Abrede gestellt.
Gutachten
Der gynäkologische Gutachter kann keine Behandlungsfehler feststellen. Es habe keinen Hinweis für eine Eileiterschwangerschaft oder Sectionarben-Gravidität bestanden. Bei intakter Narbe wäre diese Diagnose – wenn überhaupt – nur erschwert möglich gewesen. Die radiologische Untersuchung zum Ausschluss einer Appendizitis sei sach- und fachgerecht erfolgt. Der Zeitraum zwischen der zweiten Laborkontrolle und dem operativen Vorgehen habe etwa 120 Minuten betragen, ohne dass in dieser Zeit eine akute Gefährdungssituation erkennbar gewesen sei. Das Zeitintervall sei nicht zu beanstanden.
Da die Uterusmuskulatur in einer Schwangerschaft gut durchblutet sei, sei bei einer Sectionarben-Gravidität eine stärkere Blutung nicht zu vermeiden. Ein Eingriff zu einem früheren Zeitpunkt hätte zu den gleichen Hämoglobin-Veränderungen geführt. Die Patientin sei sach- und fachgerecht behandelt worden.
Entscheidung der Schlichtungsstelle
Die Schlichtungsstelle schloss sich dem Gutachten an.
Bei der zweiten Sonografie wurde zwar Aszites, der dringend suspekt auf Blutbeimengungen war, diagnostiziert. Allerdings war es aufgrund der Unklarheit des Befundes und des ausreichenden Kreislaufzustands aus der Sicht ex ante vertretbar, nicht sofort eine klinische Konsequenz zu ziehen, sondern eine weitere Beobachtung und Kontrolle des Hämoglobin-Wertes zu veranlassen.
Als sich die Patientin mit Kreislaufbeschwerden und Schmerzzunahme meldete, erfolgte die Operation in einem noch vertretbaren Zeitraum. Es war aus der Sicht ex ante nicht zu erwarten, dass eine Uterusruptur bei einer Schwangerschaft in der Sectionarbe vorlag. Auch war die Patientin kreislaufstabil.
Eine Standardunterschreitung und damit ein Behandlungsfehler konnte nicht bewiesen werden. Durch den Zeitpunkt der Entscheidung kam es im Übrigen zu keiner beweisbaren Verschlechterung und Verstärkung der intraabdominellen Blutung.
Fazit
Insgesamt stellt die Einnistung einer Schwangerschaft in der Sectionarbe ein klinisch äußerst seltenes Ereignis dar. Die behandelnden Ärzte mussten initial nicht mit dieser Erkrankung rechnen. Bei der Bewertung der Behandlung ist die Sicht ex ante zugrunde zu legen, also der Kenntnisstand der Ärzte zum Zeitpunkt der Behandlung, und nicht die Sicht ex post, also der Kenntnisstand wie er zum Zeitpunkt der gutachterlichen Überprüfung besteht.
Die Kombination von Regionalanästhesie und Allgemeinanästhesie kann in bestimmten Fällen, zu denen dieser zählte, günstig sein. Auf diese Weise kann der Bedarf an Narkosemitteln gesenkt werden, die Aufwachphase verkürzt sein und eine schmerzfreie Zeit für einige Stunden nach der Operation erreicht werden.
Die Kombination von Regionalanästhesie und Allgemeinanästhesie kann in bestimmten Fällen, zu denen dieser zählte, günstig sein. Auf diese Weise kann der Bedarf an Narkosemitteln gesenkt werden, die Aufwachphase verkürzt sein und eine schmerzfreie Zeit für einige Stunden nach der Operation erreicht werden.