Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 10/2005
Einleitung
Die Schnellschnittuntersuchung an Kryostatschnitten hat nach wie vor ihren Stellenwert in der onkologischen Chirurgie. Die Qualität von Gefrierschnitten erreicht aber methodenbedingt nicht die Qualität von in Paraffin fixiertem Material. Vor diesem Hintergrund muß sehr genau überlegt werden, wann eine Diagnose anhand der Schnellschnittuntersuchung gestellt werden soll, insbesondere dann, wenn daraus unmittelbare Konsequenzen für das weitere operative Vorgehen gezogen werden. Schnellschnittuntersuchungen ohne mögliche Konsequenzen für den Fortgang der Operation sind nicht indiziert, da sie im Vergleich zu den „klassischen Methoden“ zu schlechteren oder sogar zu falschen Ergebnissen führen können.
Kasuistik
Die damals 46jährige Patientin suchte wegen einer seit 3 Monaten bestehenden Verhärtung und Hautrötung mit Schorfbildung an der linken Brustwarze ihre Frauenärztin auf. Diese veranlaßte zunächst eine Mammographie und Sonographie. Dabei ergaben sich fleckig mastopathische Veränderungen ohne malignitätsverdächtige Strukturen. Unter dem Verdacht eines Morbus Paget überwies sie die Patientin in die Universitätsfrauenklinik vor Ort. Dort wurden Befund und Verdachtsdiagnose bestätigt und mit der Patientin folgendes Vorgehen vereinbart: Spindelförmige Probeexzision mit Schnellschnitt ohne unmittelbare Konsequenz. Die Schnellschnittuntersuchung ergab ein invasives lobuläres Karzinom, das nicht im Gesunden entfernt worden war. Daraufhin wurden anderntags mit der Patientin die operativen Möglichkeiten besprochen und letztlich wurde folgendes Vorgehen festgelegt: Hautsparende Mastektomie (sogenannte skin-sparing-mastectomy) links, axilläre Lymphonodektomie und Sofortrekonstruktion mittels M.-latissimus-dorsi-Lappenplastik. Dreizehn Tage nach der Biopsie (Intervall bedingt durch die Weihnachtsfeiertage) wurde wie vorgesehen der Eingriff durchgeführt. Man begann mit der Präparation des myokutanen Lappens, nach Umlagerung der Patientin erfolgte die Mastektomie über einen ovalen periareolären Schnitt. Dieser wurde radiär zur Axilla hin verlängert und die axilläre Lymphonodektomie durchgeführt. Die Schnellschnittuntersuchung des Mastektomiepräparates ergab jetzt folgende Diagnose: „Verdacht auf Lymphom, vereinzelt Ausläufer bis an den Resektionsrand, jedoch keine Nachresektion bei Lymphom indiziert.“ Der Eingriff wurde zwangsläufig wie vorgesehen beendet mit Rekonstruktion der Brust durch die myokutane Lappenplastik.
Die endgültige histologische Aufarbeitung am paraffineingebetteten Präparat sowohl von der Biopsie, als auch von der Mastektomie, ergab ein „Pseudolymphom in der Region der linken Mamille mit ausgeprägter tumorartiger follikulärer und diffuser lymphoidzelliger Infiltration der Haut und des angrenzenden Brustzwischengewebes.“ Die konsiliarische Mitbeurteilung der Präparate am Referenzzentrum für Lymphknotenerkrankungen in Kiel ergab ebenfalls den Nachweis einer „follikulären lymphatischen Hyperplasie in der Haut im Rahmen einer Hyperimmunreaktion. Die beschriebenen Befunde sind Ausdruck einer polyklonalen Vermehrung von B-Zellen. Ein Lymphom läßt sich hier nicht diagnostizieren.“
Die Patientin vertritt die Meinung, daß ihr infolge einer nicht gerechtfertigten Radikaloperation der Brust psychischer und körperlicher Schaden entstanden sei. Sie klagt über Narbenschmerzen, Taubheitsgefühl an Brust und Rücken, Bewegungseinschränkung des linken Armes. Es sei fraglich, ob sie ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin wieder aufnehmen könne.
Das externe Gutachten
Der Gutachter stellt fest, daß es nicht empfehlenswert ist, aufgrund einer Schnellschnittdiagnose wie im vorliegenden Fall eine Radikaloperation der Mamma mit aufwendiger Rekonstruktion durch eine myokutane Lappenplastik durchzuführen. Da hier aus dem Schnellschnittergebnis keine unmittelbare operative Konsequenz abgeleitet wurde, hätte in jedem Falle die histologische Untersuchung am Paraffinpräparat abgewartet werden müssen. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, daß es sich beim Morbus Paget, der hier zunächst aufgrund des klinischen Befundes diskutiert wurde, um eine intraepidermale Ausprägung eines duktalen Mammakarzinoms handelt und nur sehr selten ein Karzinom im Drüsenkörper vorhanden ist. Das durch Schnellschnitt diagnostizierte lobuläre Mammakarzinom läßt sich sehr häufig weder in der Sonographie noch in der Mammographie darstellen. Von daher hatten die Operateure zunächst durchaus Anlaß, die Diagnose eines lobulären Mammakarzinoms nicht in Frage zu stellen.
In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pathologie wird eine der wesentlichen Indikationen zur Durchführung einer Schnellschnittuntersuchung darin gesehen, daß aus dem Ergebnis unmittelbare operative Konsequenzen abgeleitet werden. Die Indikation muß daher sehr streng gestellt werden. Deshalb sei nach Meinung des Gutachters vom Pathologen auch unabdingbar zu fordern, beim geringsten Zweifel hinsichtlich der Dignität eines Befundes darauf hinzuweisen, daß die Paraffineinbettung des Präparates abzuwarten ist. Die falsche Schnellschnittdiagnose wäre hier durch ein Abwarten der endgültigen Histologie vermeidbar gewesen. Einen weiteren Grund dafür sieht der Gutachter in der Tatsache, daß die Verdachtsdiagnose eines Morbus Paget der Mamille nicht zu der Schnellschnittdiagnose „lobuläres Mammakarzinom“ paßt, da diese Kombination extrem selten ist. Zusätzlich konstatiert der Gutachter, daß bei Nachweis eines lobulären Karzinoms die Durchführung einer MRT-Diagnostik notwendig ist, da bei diesem Tumortyp sehr häufig multizentrisches Wachstum und/oder ein Zweitkarzinom vorliegen. Eine MR-Mammographie hätte gegebenenfalls Zweifel an der falschen Schnellschnittdiagnose aufkommen lassen.
Der Gutachter sieht daher einen ärztlichen Behandlungsfehler in Bezug auf die Methode der histologischen Sicherung als gegeben an und geht davon aus, daß bei Umgehung der Schnellschnittdiagnostik die falsche histologische Diagnose und damit eine unnötige Radikaloperation für die Patientin hätte vermieden werde können.
In einer Stellungnahme zum Gutachten führt die betroffene Klinik aus, daß die Indikation für eine Schnellschnittuntersuchung durchaus gegeben war, da man hier je nach histologischem Befund auch eine brusterhaltende Therapie in derselben Operation eingeplant hatte, diese dann aber wegen der nicht im Gesunden entfernten Tumoranteile nicht durchgeführt wurde. Unter Zugrundelegung der bekannten Indikationen zur Durchführung einer MRT der Mamma sah die Klinik keinen Grund, eine solche bei der Patientin präoperativ durchzuführen. Als drittes Argument für ihr Vorgehen wird angeführt, daß die Entfernung der axillären Lymphknoten z. B. für die Diagnose von Vorteil sein konnte, zumindest lasse sich das Gegenteil nicht beweisen.
Die Meinung der Schlichtungsstelle
Die Schlichtungsstelle konnte sich der Beurteilung des Gutachters weitgehend anschließen und gelangte zu folgender Bewertung:
- Aufgrund des klinischen Befundes war es durchaus berechtigt, von einem Morbus Paget auszugehen. Die Exzision des veränderten Gewebsareals war daher absolut indiziert. Das Präparat war aber nicht für eine Schnellschnittuntersuchung geeignet, zumal unter Therapie dezidiert festgelegt worden war „ohne intraoperative Konsequenz“.
- Der Pathologe hat sich bei Übermittlung der Schnellschnittdiagnose eindeutig auf „lobuläres Karzinom“ festgelegt. Wegen der methodenbedingten eingeschränkten Qualität von Gefrierschnitten und der Verdachtsdiagnose Morbus Paget wäre es erforderlich gewesen, wenn der Pathologe die Schnellschnittdiagnose mit dem Zusatz „endgültige Aussage erst am Paraffinschnitt möglich“ relativiert hätte.
- Die Diskrepanz zwischen dem klinischen Befund, der Verdachtsdiagnose und dem Schnellschnittergebnis hätte die Gynäkologen veranlassen müssen, Zweifel an der Richtigkeit der Schnellschnittdiagnose zu haben und die Bewertung am Paraffinschnitt abzuwarten. Die Diagnose eines lobulären Karzinoms der retromamillären Region als Primärtumor ist äußerst ungewöhnlich, weil im Stroma dieser Region in der Regel keine Drüsenläppchen als Ausgangspunkt eines differenzierten Karzinoms zu erwarten sind.
- Auch in der S3-Leitlinie (Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Frau) ist u. a. vermerkt, daß die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung nur zu stellen ist, wenn daraus eine intraoperative Konsequenz gezogen wird. Den Einwänden der betroffenen Klinik kann die Schlichtungsstelle nur im Punkt der präoperativen MRT-Diagnostik beipflichten. Sie hat auch nach den erwähnten S3-Leitlinien nur einen niedrigen Empfehlungsgrad und gehört nicht zur präoperativen Standarduntersuchung bei Mammaläsionen. Darüber hinaus gilt insbesondere für das lobuläre Karzinom, daß es sich dem Nachweis der apparativen Untersuchungsmethoden häufig entzieht.
Die Schlichtungsstelle hielt Schadenersatzansprüche für begründet und empfahl eine außergerichtliche Regulierung.