Insufficient Information on Consequences of LASIK Operation as Basis of Liability
Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 03/2005
Kasuistik
Bei einer 53jährigen Patientin bestanden eine starke Übersichtigkeit und Stabsichtigkeit sowie eine geringe Schielabweichung. Nach den Aufzeichnungen ihrer Augenärztin trug sie vor der beanstandeten LASIK-Operation eine Brille mit rechts + 5,25, – 1,0 Achse 30° und links + 5,5, – 0,5 Achse 159° mit zusätzlicher Prismenwirkung von beidseits je 5 Prismendioptrien Basis außen zur Kompensation eines geringen Innenschielens. Die bestkorrigierte Sehschärfe betrug rechts 0,7 und links 0,6.
Aus dem Wunsch heraus, nicht mehr auf eine Brille angewiesen zu sein, stellte sie sich bei dem in Anspruch genommenen Augenarzt vor mit der Frage einer operativen Korrektur ihres Brechungsfehlers. Dieser führte an beiden Augen eine brechkraftkorrigierende LASIK-Operation durch. Am 1. postoperativen Tag betrug die Sehschärfe ohne Korrektur beidseits 0,7 (70 %). Es bestanden eine starke Blendempfindlichkeit und weiterhin ein geringes Innenschielen von 3°. Mit einer offenbar geplanten Schieloperation sollte noch 2 Monate gewartet werden. Wegen eines Sicca-Syndroms (trockenes Auge) wurde als Filmbildner Hylan Stulln verordnet.
Nach vollständiger Abheilung betrug die Sehschärfe knapp 3 Monate später rechts mit einer geringen Korrektur von plan – 0,75 Achse 75° = 1,0 pp (etwa 90 %) und links mit + 0,5 – 1,0 Achse 130° = 0,7 (70 %), und die Patientin kann jetzt auch ohne Brille „sehen“. Sie leidet aber unter einer stark störenden schlechten Bildqualität insbesondere bei Dämmerung und Dunkelheit. Zusätzlich bestehen erhebliche Trockenheitsbeschwerden der Augen. Die Patientin war mit dem Ergebnis der LASIK-Operation nicht zufrieden und vermutet eine fehlerhafte Behandlung als Ursache ihrer Beschwerden. Ihre Augenärztin habe die Meinung vertreten, daß bei dem bei ihr vorliegenden Brechungsfehler eine Laserbehandlung nicht hätte durchgeführt werden dürfen.
Der in Anspruch genommene Arzt führte aus, daß sich die Patientin mit dem Wunsch, ihre Übersichtigkeit laserchirurgisch beseitigen zu lassen, bei ihm vorgestellt habe. Im Rahmen der Aufklärung sei darauf hingewiesen worden, daß die operative Behandlung der Weitsichtigkeit nicht so gut erforscht sei, wie die der Kurzsichtigkeit und daß sich die vorliegende Schielabweichung durch den Eingriff nicht verändern werde. Die Patientin sei nur einmal postoperativ untersucht worden, die weiteren vereinbarten Untersuchungstermine seien nicht wahrgenommen worden. Der Gutachter gelangte zu der Überzeugung, daß die LASIK-Operation lege artis durchgeführt wurde. Allerdings sei nach Aktenlage nicht ausreichend über die bei der LASIK-Korrektur der vorliegenden hohen Hyperopie häufig auftretenden Komplikationen aufgeklärt worden. Es liege somit ein Aufklärungsfehler vor.
Die Schlichtungsstelle kam zu folgender Bewertung
Bei der Patientin bestanden individuelle Besonderheiten, die gegen eine LASIK-Operation sprachen:
Wie der Gutachter ausführt, sind die aufgetretenen Probleme geradezu typische Folgen einer LASIK-Korrektur bei hoher Hyperopie, wie sie bei der Patientin vorlag.
Die berufliche Situation (sie arbeitet nachts bei der Zeitungsproduktion) hätte zwingend berücksichtigt werden müssen, denn bei Arbeiten in dunkler Umgebung kommt es zu einer Erweiterung der Pupille, die zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Sehqualität führt.
Bei bestehender Schielabweichung hätte zunächst eine Schieloperation erfolgen müssen, um zu sehen, ob die Patientin anschließend ohne Prismenkorrektur auskommt, denn nur dann hätte sie nach der LASIK-Korrektur ihrer Fehlsichtigkeit dauerhaft auf eine Brille verzichten können.
Bei der vorgenommenen refraktiven Chirurgie hat es sich nicht um einen Heileingriff gehandelt, sondern die Operation wurde durchgeführt, weil die Patientin auf ihre Brille verzichten wollte. In einem solchen Fall sind mögliche Komplikationen und Probleme, ähnlich wie bei kosmetisch-ästhetischen Eingriffen, ganz besonders ausführlich und intensiv mit dem Betroffenen zu besprechen.
Hieraus wird ersichtlich, daß in diesem besonderen Fall ein standardisierter Aufklärungsbogen, der die „üblichen“ LASIK-Risiken erwähnt, nicht ausreichen konnte. Bei der Patientin hat es sich nicht um einen „üblichen Fall“ gehandelt, sondern es bestanden Besonderheiten, die bei der Indikationsstellung genau zu beachten waren und ausführlich besprochen werden mußten. Ein solches auf diesen Einzelfall abgestimmtes Aufklärungsgespräch ist aus den Akten nicht erkennbar.
Unter den gegebenen Umständen (hohe Hyperopie, Nachtarbeit und Schielabweichung) war die LASIK-Operation nach Auffassung der Schlichtungsstelle nicht indiziert, und es erfolgte keine nachweisbare, auf diese Besonderheiten gerichtete individuelle Aufklärung. Es ist plausibel, daß die Patientin über den Eingriff nachgedacht und ggf. verzichtet hätte, wenn sie um die zu erwartenden Probleme gewußt hätte.
Der in Anspruch genommene Arzt hat unserer Entscheidung widersprochen. Der standardisierte Aufklärungsbogen weise unstreitig auf ein Blendungsrisiko und eine mögliche Wahrnehmung von Lichthöfen um Lichtquellen in Dunkelheit hin. In diesem Aufklärungsbogen wird allerdings weiter gesagt, daß sich diese Störungen meist von selbst zurückbilden. Wie vom Gutachter ausgeführt, war das Risiko derartiger Störungen im vorliegenden Fall aber besonders groß und ihre Rückbildung eher fraglich. Somit wirkt diese Standardpassage für den vorliegenden Fall eher verharmlosend. Irgendwelche handschriftlichen Zusatzvermerke mit einem Hinweis auf das bei der vorliegenden hohen Hyperopie besonders hohe Risiko sind nicht vorhanden.
Die Auffassung der Schlichtungsstelle wird durch zwei obergerichtliche Urteile zur refraktiven Keratektomie bestätigt. Es handelt sich zum einen um eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.03.2002 (abgedruckt in Versicherungsrecht 2004, 386), die sich u.a. mit der Aufklärung bei einer Lasertherapie einer Hyperopie beschäftigt und zum anderen um eine Entscheidung des OLG Bremen vom 04.03.2003 (abgedruckt in Versicherungsrecht 2004, 911f) bei der die Lasertherapie einer extremen Myopie beurteilt wurde. In beiden Fällen ging es den Patienten darum, auf die Brille verzichten zu können. In dem OLG-Urteil aus Bremen heißt es: „An die Aufklärung sind vorliegend hohe Anforderungen zu stellen. Je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, um so ausführlicher und eindrücklicher muß der Patient, dem dieser Eingriff angeraten wird und den er selbst wünscht über dessen Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen informiert werden. Der Patient muß auf etwaige Risiken deutlich und schonungslos hingewiesen werden.“ Dieser Auffassung ist auch das OLG Düsseldorf.
Folgende Schäden sind aufgrund der nicht indizierten Operation aufgetreten: Erhöhte Blendempfindlichkeit und verminderte Bildqualität bes. bei Dämmerung und Dunkelheit. Diese Schäden wirkten sich bei der Patientin besonders stark aus, da sie nachts gearbeitet hat.