Aus der Praxis der norddeutschen Schlichtungsstelle

Vollbeherrschbares Risiko: „Wie man gebettet, so liegt man. Oder fällt man.“

Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 12/2015

Kasuistik

Eine Patientin unterzog sich anlässlich eines zweiwöchigen stationären Aufenthaltes einer Lungenoperation wegen einer seit vielen Jahren behandlungsbedürftigen obstruktiven Lungenerkrankung. Bei der Operation wurden insgesamt zehn röhrenförmige Implantate in verengte Atemwegsäste eingesetzt. Der Eingriff erfolgte bronchoskopisch unter medikamentöser Betäubung. Am Ende der mehrstündigen und am Nachmittag vorgenommenen Operation sollte die Patientin vom Operationstisch auf eine Transporttrage verlagert werden.

Aufgrund eines technischen Fehlers kippte dabei der obere, etwa ein Drittel der Gesamtlänge der Trage ausmachende Kopfteil, akut nach hinten weg. Bei dem daraus resultierenden Sturz zog sich die Patientin eine rechtsseitige Thoraxprellung zu. Eine Intubation war nicht erforderlich. Unter Maskenbeatmung und Gabe eines stärker wirkenden Schmerzmittels (Valaron) wurde wenig später der Transport der Patientin auf die Wachstation vorgenommen. Im zeitgerecht erstellten Durchgangsbericht durch die Unfallchirurgische Abteilung des Hauses wurde festgehalten, dass keine Blutergussverfärbung und keine Prellmarke vorlagen, Röntgenaufnahmen ließen keine Knochenverletzung an den Rippen nachweisen.

Eine vorangegangene Ohnmacht oder Zeichen für Sauerstoffmangel (Blauverfärbung) wurden im D-Bericht nicht festgehalten.

Beanstandung der ärztlichen Maßnahmen

Patientenseits wird eine unsachgemäße technische Durchführung bei einer Umlagerung im Aufwachraum mit der Folge einer schmerzhaften Prellung des Brustkorbes rechts bemängelt. Vorgesehene Untersuchungen hätten deshalb nicht mehr durchgeführt werden können. Die Schmerzen seien bis zur Antragstellung noch nicht ganz abgeklungen.

Stellungnahme des Fachbereiches Pneumologie des Krankenhauses

Die Tatsache einer Prellung anlässlich einer Umlagerung wird nicht bestritten, eine erneute Intubation und Beatmung sei nicht aktenkundig. Die Angabe über verbliebene Schmerzen über knapp ein Jahr könne von der Klinik nicht geprüft werden.

Entscheidung der Schlichtungsstelle

An der unstreitigen Tatsache einer Prellung der rechten Thoraxseite während eines Umlagerungsvorganges besteht kein Zweifel. Aus dem am gleichen Tag gefertigten D-Bericht ist das von der Patientin geschilderte Ausmaß der Verletzung nicht ersichtlich. Eine Rippenfraktur konnte röntgenologisch ausgeschlossen werden. Des Weiteren lagen keine Prellungsmarken am Brustkorb vor. Eine patientenseits im Schlichtungsantrag angeführte Ohnmacht mit Notwendigkeit nachfolgender Intubation ist nicht aktenkundig. Die Patientin wurde lediglich auf die Wachstation verlegt.

Eine Thoraxprellung kann durchaus schmerzhaft sein und in diesem Zustand schockierend wirken. Die Annahme, dass über knapp ein Jahr immer noch aufgrund dessen Beschwerden resultieren, ist aus medizinischer Sicht jedoch nicht zu belegen. Die Patientin ist vier Tage nach Operation entlassen worden. Im Entlassungsbrief finden sich keine Hinweise auf Schmerzäußerungen.

Gesundheitsschaden

Aus medizinischer Sicht ist von einer unfallbedingten Schmerzbeeinträchtigung von zwei Wochen auszugehen. Nur hierfür können Ansprüche als gerechtfertigt angesehen werden. Denn bei sorgfältiger Sichtung der umfangreichen Unterlagen über die Behandlung der schwer vorgeschädigten Patientin ist davon auszugehen, dass zwar nach wie vor pulmologische Beeinträchtigungen bestanden, sie sind aber erkrankungsbedingt.

Fazit

Vertrauen – in Material – ist gut, Kontrolle ist besser.
Auch Hardware bedarf der Kontrolle.

Autoren:

Kerstin Kols, Ass. jur.

Dr. med. W.-D. Schellmann

Facharzt für Unfallchirurgie
Ärztliches Mitglied der Schlichtungsstelle
Hans-Böckler-Allee 3
30173 Hannover