Erschienen im Niedersächsischen Ärzteblatt 05/2000
Einleitung
Zu den seltenen, aber gravierenden Komplikationen nach Herzschrittmacherimplantationen gehören Schrittmachertascheninfektionen. Sie verlaufen meist chronisch; lokale Entzündungszeichen sind nicht vordergründig, vermeintliche Drucknekrosen sind oft das erste klinische Symptom. Diese Infektionen heilen erst nach kompletter Explantation des Herzschrittmachersystems einschließlich der Elektroden ab. Lokale Lagekorrekturen bringen deshalb bei Drucknekrosen meist keinen Dauererfolg und sollten beim Mißlingen nicht wiederholt werden.
Kasuistik
Bei einer 73jährigen Patientin wird im Dezember 1994 eine bradykarde Herzrhythmusstörung in Form eines Sinusknotens diagnostiziert und demzufolge die Indikation zur Implantation eines Herzschrittmachers gestellt. Am 22.12.1994 wird dieser Eingriff gemeinsam von einem Chirurgen und einem Internisten vorgenommen. Der Chirurg legt die linke V. cephalica frei und bildet eine subkutane Schrittmachertasche infraclaviculär, der Internist plaziert Vorhof- und Ventrikelelektrode transvenös im Herzen. Nach Konnektion der Elektroden mit dem Schrittmacher setzt der Chirurg diesen in die vorbereitete Tasche ein und verschließt die Wunde. Das Gerät arbeitet fortan einwandfrei im eingestellten DDD-Modus.
5 Monate nach der Schrittmacherimplantation entwickelt sich über dem Gerät eine Drucknekrose der Haut. Um eine Perforation der Tasche abzuwenden, wird am 29.05.1995 eine Lagekorrektur des Gerätes vorgenommen. Es wird aus seiner bisherigen subkutanen Tasche in eine neue angelegte subpektorale Tasche umgelagert und erhält damit eine zusätzliche Weichteildecke. Die liegenden Elektroden werden weiter verwendet. Die alte subkutane Tasche enthält seröse Flüssigkeit, die bakteriologisch untersucht wird und sich als steril erweist.
In der neuen subpektoralen Schrittmachertasche entwickelt sich ein ausgedehntes Hämatom, das sich partiell spontan entleert. Deshalb wird am 08.06.1995 die Schrittmachertasche chirurgisch revidiert. Das Hämatom wird ausgeräumt und der Schrittmacher noch etwas weiter nach medial verlagert. Diesmal ergibt die bakteriologische Untersuchung des Tascheninhaltes Staphylococcus epidermidis, einen typischen Erreger bei chronischen Wundinfektionen im Zusammenhang mit Implantaten.
Erwartungsgemäß heilt der Schrittmacher im infizierten Gebiet nicht ein. Zunehmende lokale Entzündungszeichen zwingen letztlich 2 Monate später, am 08.08.1995, zur kompletten Explantation des Schrittmachers einschließlich Extraktion der Elektroden aus dem Herzen; für die Ventrikelelektrode muß dazu ein einwöchiger Dauerzug unter Intensivstationsbedingungen angewendet werden. Danach heilt die Infektion im bisherigen Implantationsgebiet endgültig aus. Mit einem neuen Herzschrittmachersystem auf der rechten Seite wird die Patientin simultan am 08.08.1995 versorgt, dieses heilt reizlos ein und funktioniert regelrecht.
Die Patientin beklagt den mehrfachen und langwierigen Krankenhausaufenthalt mit insgesamt 4 Operationen und den damit verbundenen Beeinträchtigungen. Sie glaubt, daß die Ursache des komplikationsreichen Verlauf einen Behandlungsfehler beim Ersteingriff ist, auch sei sie nicht hinreichend über das Ausmaß der möglichen Komplikationen aufgeklärt worden.
In der Stellungnahme der in Anspruch genommenen Ärzte wird ein Behandlungsfehler bestritten und auf die Dokumentation der Aufklärung mit speziellen handschriftlichen Ergänzungen als Hinweis auf die Möglichkeit der eingetretenen Komplikation verwiesen.
Der Gutachter bestätigt die korrekte Ausführung der primären Schrittmacherimplantation am 22.12.1994 und erkennt hier keinen Behandlungsfehler. Auch die erste Revision am 25.05.1995 wegen einer Drucknekrose mit drohender Perforation der Schrittmachertasche wird als vertretbar anerkannt. Für eine Explantation bereits zu diesem Zeitpunkt gibt es keine zwingenden Gründe; weder klinisch noch bakteriologisch konnte eine Infektion belegt werden. Einen Behandlungsfehler sieht er aber im Vorgehen bei der zweiten Revision am 08.06.1995. Jetzt ist das Implantationsgebiet eindeutig infiziert, und für ein Einheilen des Schrittmachers besteht keine begründete Aussicht mehr. Spätestens jetzt hätte das System komplett explantiert werden müssen, wie es letztlich erst 8 Wochen später am 08.08.1995 geschah. Diese 8 Wochen Leidenszeit mit einem infizierten Schrittmachersystem hätten der Patientin erspart werden können. Die richtige Konsequenz wird erst beim 4. Eingriff am 08.08.1995 gezogen. Alles infizierte Material wird entfernt und die Infektion heilt aus. Die Patientin wird mit einem neuen Herzschrittmachersystem auf der anderen Thoraxseite versorgt.
Die Schlichtungsstelle schließt sich dem Urteil des Gutachters an. Bei der Erstimplantation des Herzschrittmachersystems und bei der ersten Lagekorrektur wurden keine Behandlungsfehler begangen. Als fehlerhaft wird nur der aussichtslose Versuch beurteilt, das infizierte Schrittmachersystem bei der 2. Revision zu erhalten. Daraus entstand der Patientin ein Schaden, weil die definitive Versorgung durch Explantation des infizierten Schrittmachersystems und sein Ersatz durch eine neues System auf der anderen Thoraxseite um 8 Wochen verzögert wurde und sie in diesen 8 Wochen durch die Tascheninfektion beeinträchtigt war. Ein Dauerschaden ist nicht entstanden. Die Ansprüche der Patientin waren deshalb in diesem Rahmen anzuerkennen.